352 Allseitige Rüstung. 1866
La Marmora's Ungeduld!), und noch an demselben Abend
verfügte eine Militärconferenz die Mobilmachung der ganzen
italienischen Armee, und erging am Morgen des 27. ein
Rundschreiben an die Gesandtschaften zur Rechtfertigung dieses
Beschlusses. Ein unermeßlicher Jubel des gesammten Landes
begrüßte den muthigen Schritt, bei welchem endlich einmal
in La Marmora's enger Natur der Soldat es über den
Politiker davongetragen hatte. In der Nation wie in der
Kammer gab es weder Majorität noch Opposition mehr; alle
Gedanken und alle Leidenschaften flossen in dem einen Rufe
in einander: Krieg gegen Österreich, Befreiung Venetiens.
Recruten, Reservisten, Freiwillige strömten zur Fahne; die
Kammern bewilligten jeden Credit und jede Regierungs=
vollmacht; der König konnte erklären, daß er die Bewegung
sonst in fester Hand halte, Eines aber für ihn unmöglich sei,
die Rückkehr zum Friedensstande ohne Venetien?.
In Berlin aber war man trotz aller Entschiedenheit in
der Sache doch nicht der Meinung, durch so eiliges Vor-
gehen das Verhältniß Preußens zu den Großmächten zu
1) Es ist charakteristisch für La Marmora's Streben, in seinem
Buche Preußen in ungünstiges Licht zu stellen, daß er seinen Entschluß,
zu mobilisiren, nicht durch das Berliner Telegramm vom 26. April,
sondern durch seine Kenntniß der Wiener Note an Preußen von dem-
selben Datum motivirt, einer Note, die an diesem Tage in Wien erst
festgestellt und dann am 28. in Berlin übergeben wurde, von deren
Inhalt also am 26. weder er, noch Bismarck unterrichtet sein konnte.
2) Die Befehle zur Mobilmachung, Pferdekauf, Bildung der Dépöts
und fünfter Bataillone u. s. w. ergingen vom 28. April ab. Das
österreichische Generalstabswerk II, S. 3, scheint die Einberufung der
Urlauber und Reservisten in die erste Hälfte des April zu verlegen;
sieht man aber genauer zu, so zeigt sich, daß nur solche Vorbereitungen
behauptet werden, auf deren Grund die spätere Einberufung leicht von
Statten gegangen.