Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

362 Allseitige Rüstung. 1866 
Credit und Absatz verschwand, Bestürzung und Aufregung 
erfüllte abwechselnd die Gemüther, die abenteuerlichsten Ge- 
rüchte durchschwirrten die Luft. In Süddeutschland überwog 
bei der Mehrheit noch immer der Preußenhaß jede andere 
Erwägung, und wurde jetzt durch die Furcht vor einer Ver- 
schwörung Bismarck's mit Napoleon vollends glühend. Da- 
neben aber bewirkte gerade die Gewißheit des Kriegs auch 
die ersten Symptome eines Umschlags in der öffentlichen 
Meinung. So entschieden die gemäßigten Liberalen und die 
Anhänger des Nationalvereins sich bisher Bismarck's innerer 
und holsteiner Politik widersetzt hatten, so klar schien es 
ihnen doch, daß jetzt vor der einfachen Frage, ob Osterreich 
oder Preußen in Deutschland gebieten solle, die Entscheidung 
keinem nationalliberalen Manne zweifelhaft sein könne. In 
Preußen habe Bismarck sich über die Beschlüsse des Abge- 
ordnetenhauses in Sachen der Heerverfassung hinweggesetzt, 
in Osterreich aber das Grafen-Ministerium die ganze Ver- 
fassung suspendirt. Jenes biete der deutschen Nation eine 
große und einheitliche Volksvertretung, dieses dränge im 
eigenen Reiche den deutschen Gedanken zu Gunsten der Slaven 
und Magyaren zurück. Bliebe keine andere Wahl, so wolle 
man lieber preußisch als croatisch werden. Solche Stim- 
mungen wurden in Schwaben und Bayern vernehmbar, 
wuchsen in Hannover heran, waren ganz vorwiegend in Kur- 
hessen und rührten sich in Thüringen und Sachsen. Da- 
gegen spielte in jenen Tagen das preußische Bürgerthum 
eine wenig rühmliche Rolle. Die große Masse desselben 
war verbittert durch den langen Verfassungsstreit, in Angst 
und Jammer über die Störung der materiellen Interessen, 
und völlig überzeugt, daß alle Feinde Bismarck's an ihm
	        
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