1866 Die öffentliche Meinung in Deutschland. 363
nichts Anderes, als seinen Absolutismus auszusetzen hätten.
Sobald Preußen wieder liberal aufträte, würde Benedek der
Degen aus der Hand sinken, alle deutschen Völker sich um
Preußen schaaren, und durch die Freiheit die Bahn zur Ein-
heit eröffnet werden. Die Erfahrungen von 1850 über
Osterreichs Verhalten zu deutscher Freiheit und Einheit waren
vergessen. So regnete es denn Reden und Resolutionen,
Adressen und Petitionen gegen die Scheußlichkeit des Kriegs
überhaupt und des Bruderkriegs insbesondere, und nur zwei
erfreuliche Ausnahmen in dem kläglichen Treiben wurden be-
merkbar, Adressen der Breslauer Gemeindebehörden und der
Altliberalen zu Halle an den König, welche muthige Be-
geisterung für Preußens große Bestimmung aussprachen.
Die Regierung ließ sich auch durch diese, in Preußen bis
dahin unerhörte Kriegsschen nicht beirren, sondern beschloß,
von den weichlichen Gefühlen des Volkes an dessen feste Ein-
sicht zu appelliren. Ein Bericht des Staatsministeriums an
den König erklärte: „das jetzige Hous der Abgeordneten,
wenn auch seine Mehrheit Angesichts der Gefahren, welche
das Vaterland bedrohen, ihre Hingebung für dasselbe gewiß
bereitwillig bethätigen würde, ist doch unter dem Einflusse
anderer Verhältnisse gewählt, als diejenigen sind, welche
heute bestimmend auf die Wähler wirken müssen. Ew. Majestät
werden das Bedürfniß fühlen, die Stimmung zu kennen und
zum Ausdruck zu bringen, welche das preußische Volk im
jetzigen Augenblick und mit Rücksicht auf die gegenwärtige
Lage der Dinge bescelt.“ Im Einklange hiemit verfügte der
König am 9. Mai die Auflösung des Hauses und die dem-
nächstige Anordnung von Neuwahlen.