Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

378 Letzter Einigungsversuch. 1866 
noch nicht zu spät zur Einigung. Wenn es sich dagegen 
bestätigen sollte, fuhr er fort, daß Osterreich den französi- 
schen Vergrößerungsgelüsten durch Angebot deutsches Landes 
schmeichle. — was man in Wien wohl nur in der Zuversicht 
wagen würde, daß unsere nationale Stellung und die deutsche 
Gesinnung des Königs es uns unmöglich machte, den schmach- 
vollen Wettstreit auf diesem Gebiete aufzunehmen — so würde 
es uns nicht schwer werden, solchem Beginnen gegenüber die 
fessellose Entwicklung des deutschen Nationalgefühls durch 
jedes Mittel gegen Osterreich aufzurufen. 
Unterdessen war Gablenz am 5. Mai in Wien wieder 
angekommen. Mensdorff versprach, den Kaiser sogleich zu 
unterrichten, der bis dahin kein rechtes Vertrauen in die Auf- 
richtigkeit der Ausgleichsvorschläge gesetzt hatte, sie verspätet 
fand, und befürchtete, daß sie nur als Mittel dienen sollten, 
die Mittelstaaten von Osterreich zu trennen. Der Minister 
selbst, ebenso wie sein College Esterhazy, zeigte übrigens 
guten Willen, versöhnlich zu wirken, zugleich aber auch die 
Besorgniß, im Ministerrathe bei dem acuten Stande der Dinge 
und dem jetzigen Einfluß der Kriegspartei nicht durchzu- 
dringen. Beide Staatsmänner erkannten an, daß OÖsterreichs 
Ehrenpunkt, die Selbständigkeit Schleswig-Holsteins, in dem 
Vorschlage gewahrt sei, fanden auch die Geldentschädigung 
sehr annehmbar, hatten aber Zweifel, ob Osterreichs Ober- 
befehl in Süddeutschland sich erreichbar zeigen würde. Napo- 
leon's Rede in Auxerre steigerte die versöhnliche Stimmung, 
die jetzt beginnende Mobilmachung in Preußen aber in noch 
höherem Grade das herrschende Mißtrauen. Der Kaiser 
erklärte schließlich seine Genchmigung, daß die Verhandlung 
fortgesetzt werde, jedoch seien bestimmter formulirte Vorschläge
	        
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