406 Esterreich und Frankreich. 1866
dafür aber das Bündniß Osterreichs mit den Mittelstaaten
vollendet. Nichts war gewisser, als daß der Spruch des
Bundestags gegen Preußen fallen, und daß Preußen mit der
Zerreißung des Bundes antworten würde. Der Krieg war
so gut wie vorhanden. Mochten die Juristen streiten, ob
Preußen das Bundesrecht, oder ob Osterreich seine preußischen
Verträge von 1864 und 1865 verletzt hätte: die Dinge waren
so weit gediehen, daß es sich nicht mehr um das Recht,
sondern um die Macht handelte. Schleswig-Holstein hatte
den Anlaß zum Streit gegeben, war aber nicht mehr der
Gegenstand desselben. Osterreich wollte seine deutsche Stellung
von 1815 und 1850 behaupten, trotz aller Rechtstitel, welche
Rechberg's Politik dem preußischen Rivalen überliefert hatte.
Mochte dabei Deutschlands Zukunft fahren, wie sie wollte,
Osterreich meinte, nach Deutschlands Vergangenheit festen
Grund für seinen Anspruch zu haben. Eine halbe Million
tapferer Kämpfer hatte es aufgestellt; die Finanznoth drängte
zu rascher Entscheidung, und was Europa betraf, so hatte
das Rundschreiben des 1. Juni den Boden bezeichnet, auf
welchem der Wiener Hof sein Einvernehmen mit Frankreich
festzustellen bereit war: die Erwerbung Schlesiens unter Er-
haltung des deutschen Bundesrechts, die Abtretung Venetiens
gegen Durchführung der Bestimmungen des Züricher Friedens.
Das Wiener Cabinct hatte nicht lange auf Frankreichs
Gegenerklärung zu warten.
Mochte Napoleon nun ernstlich an ein friedfertiges Er-
gebniß des Congresses geglaubt, oder mochte er ihn nur der
Friedensliebe des französischen Volkes zu Gefallen vorge-
schlagen haben, vielleicht auch in der Hoffnung, den Aus-
bruch des Kriegs bis zum Ablauf des preußisch-italienischen