1866 Napoleon sucht Italien von Preußen zu trennen. 417
sondern konnte mit ruhigem Gewissen Venetien in Frieden
aus Napoleon's Hand dahin nehmen. König Victor Emanuel
in seiner geraden, soldatischen Weise, dabei innerlich erbittert
durch Napoleon's hinterhaltiges Schweigen über seine Wiener
Unterhandlung, legte das Telegramm des Prinzen auf der
Stelle dem Grafen Usedom vor, auf dessen Bericht dann
Bismarck kurz und bestimmt Gramont's Erzählung für eine
Lüge erklärte. Wenn überhaupt jener von Gramont erwähnte
Brief der Königin-Wittwe existirt hat, so ist es ohne Weiteres
klar, daß an irgend einer Stelle die Worte König Wilhelm's
mißverstanden worden sind, und daß er mit voller Wahr-
heit hat versichern können, er habe keinen Vertrag unter-
zeichnet, durch den er verpflichtet sei, einem Angriffe Italiens
gegen Osterreich Beistand zu leisten.
Ergänzt wurden die beiden Telegramme in Paris an
demselben Tage durch eine Außerung Napoleon's gegen
Nigra, Italien würde einen groben Fehler begehen, wenn es
zuerst den Angriff eröffne; auch könne während des Kriegs
der Fall wohl eintreten, daß es nützlich wäre, wenn Italien
den Krieg nicht allzu energisch führe.
Die doppelte und dreifache Unredlichkeit dieser Insinua-
tionen bedarf keiner nähern Beleuchtung: Unredlichkeit zunächst
gegen König Wilhelm durch den gehässigen Mißbrauch einer
vertrauten Familiencorrespondenz, sodann gegen Preußen,
dem man unter Vorspiegelung wohlwollender Neutralität den
wichtigsten Bundesgenossen abspenstig zu machen suchte,
endlich gegen Italien, welches man gegen Preußen aufzu-
hetzen strebte, nachdem man so eben von Österreich die Ab-
tretung deutsches Gebietes durch die Preisgebung der natio-
nalen Zukunft Italiens erkauft hatte.
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. IV. 27