1864 Aussichten der einzelnen Parteien. 47
den militärischen Oberbefehl führte dort Preußen allein. Unter
solchen Verhältnissen schien das Übergewicht des nahen Preußen
über das entfernte sterreich unwiderstehlich zu sein, und so
aus dem Condominium ganz von selbst die preußische Annexion
hervorwachsen zu müssen. Diese Auffassung erschien um so
unbedenklicher, als sie damals auch von den Gegnern in
vollem Maaße getheilt wurde: eben deshalb drängte man in
Wien und München mit so hastigem Eifer auf eine baldige
definitive Entscheidung, weil man überall dieselbe Ansicht
hatte, die Fortdauer des Condominiums sei gleichbedeutend
mit der preußischen Annexion. Freilich sollte trotz dieser all-
gemeinen Ubereinstimmung sich sehr bald zeigen, daß das
Condominium auch für Preußen bedenkliche Seiten hatte.
Da die beiden Mitbesitzer gleichberechtigt waren, und jeder
Regierungsact der Zustimmung Beider bedurfte, so konnte
keiner den Andern zu einem positiven Handeln nöthigen, wohl
aber jeder den Andern an einem solchen hindern. Nun hatte
Osterreich in den Herzogthümern überall keine positiven
Wünsche; ihm also konnte hier ein preußischer Widerspruch
niemals unbequem werden. Um so mehr aber war Preußen
erfüllt von dem Drange nach neuen positiven Errungen-
schaften und bot damit Tag für Tag dem Wiener Mitbesitzer
Anlaß, sein Recht des Einspruchs zu üben. Auf dem Rechts-
boden des Condominiums also hatte ohne Zweifel Osterreich
stärkere Mittel, die Annexion zu hindern, als Preußen, dieselbe
herbei zu führen.
Sehen wir nun, wie sich unter diesen Verhältnissen der
politische Verlauf entwickelte.
Bis zum Abzug der Bundestruppen aus Holstein hatte
Bismarck, wie oben bemerkt, jede Nußerung über Preußens