Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Die preuß. Forderungen. Allgemeiner Widerspruch dagegen. 65 
ein verzwickter Vasallenstaat. Die augustenburgisch Gesinnten 
wiesen eine Halbsouveränität, wie sie hier dem Erbprinzen 
zugedacht war, mit Entrüstung zurück; die Meisten wollten 
von gar keiner, die Gemäßigteren doch nur von einer viel 
geringeren Beschränkung der landesherrlichen Rechte hören. 
Gerade der Hauptpunkt, die Übertragung der Militärhoheit 
an Preußen, fand allgemeinen Widerspruch. In Wien waren 
der Kaiser, sämmtliche Minister und die öffentliche Meinung 
gleiches Sinnes, daß die preußischen Vorschläge absolut un- 
annehmbar seien. Graf Mensdorff erklärte es dem Baron 
Werther schon am 27. Februar, und am 5. März ging der 
amtliche Ausspruch der kaiserlichen Regierung nach Berlin ab, 
daß auf dieser Grundlage eine Einigung unmöglich sei. Ton 
und Inhalt bezeugten, mit wie tiefer Erregung das Actenstück 
verfaßt worden war. Bereits im November, sagte die Depesche, 
haben wir uns gegen die Bildung eines halbsonveränen Staats 
Schleswig-Holstein, als die unvollkommenste aller Lösungen, 
erklärt: trotzdem ist es gerade dieser Gedanke, welchen das 
preußische Programm in beispielloser Ausdehnung verkörpert. 
Es liegt außerhalb aller Möglichkeit, den Chef eines solchen 
Staats als gleichberechtigtes Mitglied in den Kreis der deut- 
schen Souveräne eintreten zu lassen. Vergebens hat sich die 
preußische Regierung bemüht, den Gegensatz zwischen ihrem 
Vorschlag und dem Bundesrechte zu verdecken; zwischen dieser 
factischen Mediatisirung und den Fundamentalsätzen der 
Bundesverträge besteht ein vollkommener Widerspruch. Die 
vorliegenden Forderungen richten sich ausschließlich auf 
preußische Specialvortheile; Alles, was dabei über die 
Förderung holsteiner und deutscher Interessen gesagt ist, 
müssen wir als unbegründet abweisen. Der jetzige Zustand 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiche. IV. 5
	        
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