72 Preußen und Frankreich. 1865
Eventualität läge zu unserer Befriedigung bei Lebzeiten der
jetzigen Souveräne Preußens und Frankreichs außerhalb aller
Wahrscheinlichkeit. Im Gegentheil gebe gerade das freundschaft-
liche Verhalten des Kaisers Napoleon uns die Möglichkeit,
unsere Forderungen an Österreich unsern Bedürfnissen ent-
sprechend zu bemessen, und sichere so dem Kaiser die Dank-
barkeit Preußens.“
Graf Benedetti hatte dann jeden Gedanken an eine feind-
selige und unsern Wünschen entgegentretende Haltung Frank-
reichs eifrig und mit Entschiedenheit abgelehnt.
Bismarck's Verhalten gegenüber den beiden Höfen von
Wien und von Versoailles war in diesen Erörterungen deut-
lich genug bezeichnet: Vermeiden jeder bindenden Verpflichtung
Preußens, und einstweilen Verwerthung der guten Beziehun-
gen zu der einen Macht für die Erlangung günstiger Con-
cessionen von der andern. Indessen wollte er bei der ent-
scheidenden Wichtigkeit der napoleonischen Entschließungen
und der daraus sich ergebenden Nothwendigkeit eines fest
bemessenen und streng planmäßigen Verhaltens, den Grafen
Goltz darüber nicht im Zweifel lassen, daß König Wilhelm
sehr geringe Neigung zu einem französischen Bündniß habe,
und nur im äußersten Nothfall zu einem solchen Schritte sich
herbeilassen würde. Es war dies schließlich auch Bismarck's
Ansicht, und der einzige Unterschied zwischen den Stimmungen
des Königs und des Ministers ließe sich vielleicht dahin be-
zeichnen, daß es bei dem festen Entschlusse beider Männer,
in jedem Falle Preußens Ehre und Interesse zu wahren,
dem König Herzenssache war, dabei so weit wie möglich mit
Osterreich in Friede und Freundschaft zu bleiben, dem Mi-
nister aber Verstandessache, daß zur Erlangung des Bodens