1865 Bismarck's Schreiben an Goltz, 20. Februar. 77
der jüngsten Zeit gewarnt, um in einer Frage, welche, wie
die polnische, ihm die Summe des bei uns erworbenen Ver-
trauens kosten kann, einen Minister seinen eigenen Impulsen
zu überlassen. Wie er in Polen seine eigenste Politik ge-
trieben hat — im Mai 1862 erhielt ich aus seinem Munde
die Mittheilung, daß er glaube, für Polen etwas thun zu
müssen — wie er gelegentlich die abweichende Haltung des
Prinzen Napoleon benutzt hat, um sie nach Bedürfniß fallen
zu lassen oder zu adoptiren: so wird auch die Doppel-
züngigkeit Frankreichs in der vorliegenden Frage ein Ausfluß
seines Willens sein, um die Möglichkeit zu wahren, im rechten
Augenblick auf die eine oder die andere Seite treten zu können.
Vielleicht ist auch diese Politik auf seinem Standpunkt die
richtige; denn wenn uns unser Bewußtsein sagt, daß weder
Frankreich für Preußen, noch wir für Frankreich ein Bundes-
genosse à toute Cpreuve sein können, so wird auch ihm
diese Wahrheit nicht verborgen sein. Unsere Haltung gegen
Frankreich wird getragen von der immer präsenten Voraus-
setzung, daß man sich auf der andern Seite nur durch seine
Interessen bestimmen läßt, und von dem Bewußtsein, daß
wir dasselbe thun; sie wird ebenso frei von Hingebung wie
von Verstimmung sein. Ich beobachte die Vorsicht, Herrn
Benedetti nichts zu sagen, was nicht in Wien, und dem Grafen
Karolyi nichts, was nicht in Paris wieder gesagt werden kann.
Obgleich tactvoller als in Wien, würde man auch in Paris
einer sehr starken Versuchung zu Indiscretionen von eminentem
politischem Nutzen schwerlich widerstehen."“
„Ich halte das österreichische Bündniß nicht für aus-
genutzt, und glaube, daß wir, indem wir Wien zwischen der
Hoffnung auf unsern Beistand und der Furcht vor dem