1865 Populäre Stimmungen. 85
Höhe der Steuern einen nicht unerheblichen Eindruck gemacht.
Aber diese Schichten der Bevölkerung waren eben politisch
träge, und folgten schließlich doch den Antrieben der über
ihren Häuptern sich bewegenden, geistig angeregten und
politisch thätigen Minorität. Diese aber war damals, mit
Ausnahme weniger Gruppen, durchaus antipreußisch, und zog
den größten Theil der Bevölkerung durch eine unablässige
Agitation in ihre Richtung hinein. Die Dankbarkeit, welche
das Land den preußischen Befreiern schuldete, trat zurück
gegen eine ganze Reihe verschiedener Affecte, hoher und niedriger
Art. Die Forderungen eines idealen Pflichtgefühls wurden in
diesem Falle durch verlockende Motive der Eitelkeit und Selbst-
sucht unterstützt. Wie hätte das Volk widerstehen sollen?
Seit dem Einzug der Bundestruppen hatte das Land
dem ihm bis dahin völlig unbekannten Erbprinzen von Augusten-
burg, als der Verkörperung des „Los von Dänemark“ zu-
gejauchzt: Tausende und wieder Tausende hatten ihm ihre
Huldigung dargebracht und ihn aus voller Überzeugung als
den einzig legitimen Landesherrn, als Herzog Friedrich VIII.
begrüßt. Wäre es nun möglich, daß ehrenfeste Holsten nach
wenigen Monaten das gegebene Manneswort brächen, und,
einem brutalen Machtgebot sich beugend, heute verwärfen,
was sie gestern verehrt hätten? Gerade bei den Besten und
Gewissenhaftesten klang dieser Ruf in die Tiefe der Seele
hinein: Schleswig-Holstein könnte den Fürsten nicht verläug-
nen, dem es soeben seine begeisterte Anerkennung dargebracht
hatte. Gegen die Vergewaltigung Friedrich's VIII. sträubte
sich nicht bloß eine politische Erwägung, sondern das Gewissen
des Volkes. Dies Gefühl war lebendig auch bei armen
Bauern, die weder von agnatischem Erbrecht, noch von