Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

86 Die Zustände in Schleswig-Holstein. 1865 
deutscher Bundesreform eine Vorstellung hatten, und nur 
selten kam es vor, daß einer zweifelte, oder, wie einmal ein 
ehrlicher Müller in Angeln sich erkundigte: in der Ver- 
sammlung hat der Herr Schulmeister gesagt, für uns Alle 
huldige er dem Herzog; ich habe ihm keinen Auftrag gegeben; 
bin ich daran gebunden? Die Mehrheit fühlte sich in der 
That gebunden, wenn nicht durch einen formellen Huldigungs- 
act, so doch durch die Consequenz des eigenen Thuns, durch 
die ehrliche, eigene Rechtsüberzeugung. 
Neben diesem höchst respectabken Pflicht= und Ehrgefühl 
wurden mannigfaltige Landes= und Standesinteressen wirksam. 
Das Volk der Herzogthümer war, wie bereits früher 
bemerkt, conservativ und beständig in seiner Eigenart. Bei 
der soliden Wohlhabenheit des Landes bewegte sich das Leben 
der großen Mehrheit in schlichtem Behagen auf den von 
Alters hergebrachten Geleisen. Fremde Elemente außer den 
verhaßten Dänen kamen selten in das Land; zum Vergleiche 
des eigenen und eines fremden Brauchs war wenig Gelegen- 
heit. So entwickelte sich ein äußerst starkes provinziales 
Selbstgefühl, welchem die Leute da draußen in der Welt als 
ziemlich klein neben dem hochgewachsenen Holstenstamm er- 
schienen. Es ist das freilich allgemeine deutsche Art oder 
Unart; hier aber, auf der meerumschlungenen Halbinsel, war 
sie durch die Verhältnisse doch zu seltener Energie gesteigert. 
Man hatte das stolze Bewußtsein, der dänischen Übermacht 
ein Menschenalter hindurch zähen Widerstand geleistet zu 
haben; man war verwöhnt durch die unermeßliche Popularität, 
deren sich seit 1846 die Sache der Herzogthümer in ganz 
Deutschland erfreute; mehr als ein holsteiner Politiker er- 
wartete von der Aufrichtung eines selbständigen Holstenstaats
	        
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