Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Augustenburger Regierung. 91 
bisherige Competenz zu selbständiger Verfügung wurde be— 
stätigt; die Commissare reservirten sich einzelne, besonders 
wichtige Geschäfte, Verfassungsfragen, Normativ-Verfügungen, 
Gnadensachen, Suspendirung und Constituirung von Be- 
amten, Budget-Überschreitungen, obere Leitung der Staats- 
polizei, der Presse und der Vereine — und griffen im 
Ubrigen nur als Recurs= und Beschwerde-Instanz ein. Man 
hatte in Berlin keine Ahnung, welche gefährliche Concession 
damit dem Augustenburgerthum gemacht wurdez selbst in den 
Personalfragen bei der Anstellung der Beamten scheint Zedlitz 
Anfangs mit völliger Arglosigkeit zugesehen zu haben. Das 
Ergebniß war, daß fünf unter den sechs Räthen der Landes- 
regierung regelrechte Augustenburger waren, und daß jetzt 
auch in Schleswig bei den zahlreichen Vacanzen der Local- 
behörden, der Pfarr= und Schulstellen, durchgängig gehorsame 
Unterthanen des Erbprinzen in die Stellen gelangten. Ja, 
es entwickelte sich allmählich ein regelmäßiger Geschäftsgang 
zwischen der Landesregierung und „den herzoglichen Mini- 
sterien“ in Kiel, indem jene Behörde eine jede für die Partei 
erhebliche Verfügung unter der Hand dem Prätendenten 
zur „landesherrlichen Genehmigung“ vorlegte. Damit Herr 
von Zedlitz möglichst selten in die Thätigkeit der Landesregierung 
einzugreifen Veranlassung fände, war es bei allen Organen 
der Partei ein festes Schlagwort: niemals und unter keinen 
Umständen dürfe gegen eine Anordnung der Landesregierung 
bei den Commissaren Beschwerde erhoben werden. Die Com- 
missare konnten ja gar nicht mehr an der Trefflichkeit ihrer 
Regierungsräthe zweifeln, wenn das Land mit dem Walten 
derselben so ausnahmslos zufrieden war. 
Gegenüber diesen für Preußen äußerst ungünstigen Um-
	        
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