Das deutsche Reich ist gegründet. 463
und der Realität, der Einheit und des Sonderthums. Damit
erschuf er ein Werk, zunächst von geringerem Glanze als das
von 1849, aber mit allen Aussichten auf festgegründete
Dauer. Die seitdem gemachten Erfahrungen haben die Weis-
heit seiner Grundsätze in jeder Hinsicht bestätigt.
Als in der Zeit vor den Friedensconferenzen alle Ent-
schließungen über Deutschlands Zukunft noch flüssig und un-
bestimmt erschienen, sprach der Kronprinz Friedrich Wilhelm,
welcher überhaupt eine höhere Machtstellung des künftigen
Reichsoberhaupts als der König im Sinne trug, die Ansicht
aus, sein Vater müsse die Würde eines Königs von Deutsch-
land erhalten. Bismarck erinnerte dagegen, es gebe noch
andere Könige in Deutschland, von Hannover, von Sachsen
u. s. w. Diese werden dann, war die Antwort, wieder den
Herzogtitel annehmen. „Aber sie werden das nicht wollen.“
Sie werden mülssen, rief der hohe Herr. Nach dem weitern
Verlaufe der Ereignisse gab er dieses System freilich auf,
äußerte dann aber Anfang 1867, der König möge sich den
deutschen Kaisertitel beilegen. Denn dem Volke gebe der Titel
eines Bundespräsidenten kein ergreifendes Bild; die Erneue-
rung der Kaiserwürde aber werde ihm die erlangte Einheit
anschaulich verkörpert zeigen, und die Erinnerung an des
Reiches alte Macht und Größe alle Herzen entflammen. Der
Gedanke an sich war, wie wir es erlebt haben und fort-
dauernd erleben, vollkommen richtig. Aber offenbar war er
damals verfrüht: ein norddeutsches Kaiserthum hätte im Norden
keine Begeisterung erweckt, und im Süden die Vollendung
des nationalen Werkes erschwert. König Wilhelm wies den
Vorschlag kurz und bestimmt zurück: in seiner schlichten Weise
wollte er nichts sein, als Bundesfeldherr und der Erste