296 Preußische innere Politik. Anfang 1868. 1868
blinder Dienstwilligkeit ihm auf Schritt und Tritt folgen
sollen. Verzichten wir auf die Freiheit, zu widerstehn, so
fehlt uns auch die Kraft, zu stützen. Unsere Wähler haben
volles Vertrauen zu Bismarck's auswärtiger Thätigkeit, aber
schwere Bedenken bei seiner innern zum Liberalismus neigenden
Politik. Wir haben als unabhängige Männer zu wirken,
als Männer von Charalter und Gewissen. Nicht bloß, wo
es sich um die Verletzung der politischen Grundsätze, sondern
auch, wo es sich wie im vorliegenden Falle um ein Rechen-
exempel handelt, müssen wir ein Jeder nach der eignen
Ülberzeugung das Facit ziehn und danach stimmen. Hier
ist keine Rede, bekräftigte Vincke, von einer politischen Frage,
sondern von einer Rechtsfrage, einer Frage um Mein und
Dein, um die Verkürzung der andern Provinzen zu Gunsten
Hannovers: da dürfen wir nicht aus politischen Rücksichten
das Recht beugen lassen, da hat ein Jeder als gewissenhafter
Richter sein Urtheil auszusprechen, wie es Artikel 83 der
beschworenen Verfassung vorschreibt: jeder Abgeordnete soll
nach seiner freien ÜUberzeugung stimmen.
In Wahrheit schreibt der Artikel 83 vor, daß jeder
Abgeordnete ohne Rücksicht auf Aufträge und Instructionen
seiner Wähler nach eigner freier Überzeugung stimmen soll.
Ob er seine Überzeugung nur nach der Beschaffenheit des
einzelnen Falls oder nach Erwägung des Zusammenhangs
der ganzen politischen Lage zu bilden hat, darüber redet der
Artikel gar nicht.
Ungleich einsichtiger als die Conservativen verhielten sich
dieses Mal die Nationalliberalen. Bei ihnen war, hauptsächlich
in Folge von Gneist's Schriften über die englische Verfassung,
die Ansicht verbreitet, daß in England das Gedeihn des