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Am Abend vor der Sitzung des Herrenhauses, auf
deren Tages-Ordnung die Interpellation gesetzt war, befand
ich mich in einer befreundeten Familie. Da wurde ich, es
war kurz vor Mitternacht, zum Fürsten gerufen. Er sagte
mir, es sei ihm doch fraglich geworden, ob Camphausen
die Interpellation ganz seinen Wünschen gemäß beant—
worten werde und ob es nicht richtiger sei, wenn ich dies
übernehme. Ich sei ja in die Sache eingeweiht und kenne
vollständig seine Intentionen. Auf meine Bedenken, daß
es mir ja völlig an Zeit zur Vorbereitung fehle, meinte
er, die Sache werde schon gehen; für alle Fälle könne ja
auch mit einem Mitgliede des Herrenhauses verabredet
werden, daß dieser auf ein bestimmtes von mir gegebenes
Zeichen hin die Besprechung der Interpellation beantrage,
so daß der Fürst auch nach meiner Rede Gelegenheit
habe, eventuell noch das Wort zu ergreifen. Eine solche
Abrede wurde dann auch mit dem Professor Dernburg
getroffen.
Am nächsten Tage war der Sitzungssaal des Herren—
hauses bis auf den letzten Platz gefüllt, auch die Tribünen
waren dicht besetzt. In der ersten Reihe der Abgeordneten—
Loge saßen Windthorst, Bennigsen und andere Parteiführer.
Jeder erwartete eine große Haupt- und Staatsaktion.
Auf die Frage des Präsidenten, Herzogs von Ratibor,
ob und wann das Staatsministerium bereit sei, die Inter-
pellation zu beantworten, erwiderte Fürst Bismarck, das
Staatsministerium sei dazu sofort bereit.
Nun erhielt Graf Schulenburg-Beetzendorf das Wort
und schoß die Pfeile, die sein Köcher enthielt, langsam