Nach der serbischen Antwort 117
Die gespannte Lage veranlaßte nun insbesondere den Reichskanzler
und Sir Edward Grey zu Vermittlungsvorschlägen. Ich kann den
Fehler, welchen der Reichskanzler in der Behandlung der mit dem
25. Juli einsetzenden britischen Vermittlungsvorschläge nach meiner Über-
zeugung beging, nicht berühren, ohne vorher Bethmanns guten Willen
anzuerkennen.
Der Kanzler hat sein Bestreben, den Weltkrieg zu verhindern, in
unbedingt überzeugender Weise diplomatisch kundgegeben. Ich nenne hier
die Wiederanknüpfung der infolge eines russischen Mißverständnisses
stockenden österreichisch-russischen Verhandlungen, weiterhin Bethmanns
unmittelbare mäßigende Einwirkung auf Wien, beginnend nach der Ab-
lehnung der serbischen Antwort, und endlich die spontane Aufstellung
des Vermittlungsvorschlages, die österreichische Besetzung Serbiens auf
ein Faustpfand bis zur Leistung der serbischen Genugtuung zu be-
schränken. An diese Beweise für Bethmanns Friedensliebe reihen sich
andere, die später zu besprechen sind. Wie war es nun aber möglich,
daß trotz soviel gutem Willen der Frieden in die Brüche ging? Weil
die grundfalsche Hoffnung auf einen wirklichen Friedenswillen der
Entente, insbesondere Englands, welche den Glauben an eine Loka-
lisierbarkeit der Züchtigung Serbiens erzeugt hatte, jetzt weiter wirkte
und die ohnehin geringe diplomatische Geschicklichkeit unserer Leitung
noch weiter herabsetzte.
Als Sir Edward Grey am 26. Juli anregte, England und Deutsch-
land möchten unter Heranziehung Frankreichs und Italiens eine ge-
meinsame Vermittlung unternehmen, verkannte der Kanzler die sich
bietende Gelegenheit, ebenso wie bei Bewertung der serbischen Antwort.
Englischen Konferenzvorschlägen gegenüber war allerdings Vorsicht ge-
boten. Bei Konferenzen der Großmächte befand sich Deutschland infolge
des diplomatischen Übergewichts der stärksten Seemacht und der ent-
sprechend parteiischen Haltung der Versammlung erfahrungsgemäß im
Nachteil. In diesem Zeitpunkte aber durfte der von Grey vorgeschla-
gene europäische „Areopag“, wie ihn Bethmann genannt hat, nicht
abgelehnt werden, weil er die einzige Moglichkeit bot, um den Welt-
krieg vielleicht noch zu vermeiden. Bethmann konnte Greys Vorschlag
einer Botschafterkonferenz sofort annehmen mit der Bedingung, daß
sich Osterreich-Ungarn sein Faustpfand in Serbien verschaffen dürfte,
wie Grey dies später (am 30. Juli) auf Bethmann-Hollwegs Vor-