Unter Stosch und Caprivi 17
Stoschs unausgesetztes Bestreben, Deutschlands Seeinteressen nach
allen Richtungen zu fördern, wurde von Beginn seiner Amtszeit an
unter großen Schwierigkeiten verfolgt. Der Auslandsdienst überspannte
fast die damaligen Kräfte der Marine. Jeder Kommandant durfte
aber bei seiner Tätigkeit im Ausland auf Stoschs nachhaltige Unter-
stützung rechnen, auch bei den oft selbständigen und schwierigen Ent-
schlüssen, welche der Auslandsdienst beim damaligen Mangel an Kabel-
verbindungen erforderte.
Neben der Entfaltung der deutschen Seeinteressen war Stoschs zweiter
Grundgedanke, durch welchen er der Marine sein Gepräge gab: daß er sie
arbeiten lehrte. Ich will nicht sagen arbeiten ohne Fehler; das war
bei einem Volk, das der See und ihrem Wesen entfremdet war, un-
möglich. Aber arbeiten überhaupt. Je reifer die Marine wurde und
je mehr unser Volk das große Kulturgebiet der See wieder verstehen
lernte, desto mehr Früchte hat dieses Arbeitenkönnen getragen. Ich
erinnere mich der erstaunten Bemerkung englischer Offiziere, als wir
1890 in Malta mit unseren alten Kästen neben den modernen Schiffen
der Engländer lagen und den ganzen Tag Dienst taten und schufteten:
wenn sie das ihren Leuten zumuteten, bekämen sie Meuterei. Sie
konnten diese stramme Arbeit nicht begreifen, besonders da sie infolge
der kurzen Dienstzeit der deutschen Mannschaften nicht ganz zum
Nutzerfolg führte. Im Park von Osborne hatten wir im Jahr vorher
mit einer Landungsdivision der Königin den Parademarsch vorgeführt.
Die britischen Seeoffiziere sagten überrascht: „Das sind ja Soldaten.“
Der Eindruck war nicht ganz richtig, aber bezeichnend.
Unter Prinz Adalbert war streng darauf gesehen worden, daß die
von der englischen Marine übernommene Form seemännisch und nicht
landmäßig war; wenn der Prinz z. B. die Front abging, mußte der
riesige blanke Seemannshut auf den Hinterkopf gesetzt und eine breit-
beinige Stellung eingenommen werden; wer das Achterdeck betrat,
grüßte die Flagge; der Mann grüßte an Bord den Offizier durch
Mützeabnehmen, den Unteroffizier durch Mützelüften, und so noch
vielerlei Etiketten: aber Strammstehen gab es nicht. Beim Segel-
ererzieren konnte man auch die Hände nicht an die Hosennaht halten.
Die Mannschaften hatten eine anstrengende und lebensgefährliche, aber
selbständige Tätigkeit und die Unteroffiziere in den Toppen handelten
vielfach auf eigene Faust. Wenn das Schiff rollte, war jeder auf
Tirpitz, Erinnerungen