Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

188 Der Unterseeboots-Krieg 
von vornherein stärker „gehandicapt“, als den meisten Deutschen 
klar war. 
Die Hauptschwierigkeit war aus den Beziehungen zu Amerika zu 
erwarten, besonders nachdem dieses Land, entgegen dem Wesen der 
Neutralität, sich bald nach Ausbruch des Krieges zu einem Arsenal 
für unsere Feinde entwickelt hatte. Da im Nordatlantik der Fracht- 
verkehr meist unter englischer Flagge geht, so mußte jeder Kampf gegen 
englischen Frachtraum die amerikanischen Kriegslieferanten schädigen. 
Wir hatten schon bei unseren Auslandskreuzern, die auf das Gewissen- 
hafteste nach den Regeln des alten Seerechts verfuhren, beobachten 
können, eine wie wenig unparteische Haltung die Vereinigten Staaten 
uns gegenüber einnahmen. 
Schon vom Beginn des November ab hatten bei den leitenden 
Marinebehörden Erörterungen über einen etwaigen Unterseebootskrieg 
eingesetzt. Am 7. November 1914 stellte der Chef des Admiralstabes 
den Entwurf einer Unterseeboots-Blockadeerklärung der ganzen Küsten 
Großbritanniens und Irlands zur Erörterung. Ich machte darauf 
aufmerksam, daß bei der Neuheit der Waffe die Ubootsblockade völker- 
rechtlich bisher nicht behandelt wäre. Den Zeitpunkt für die Blockade- 
erklärung dürfte man nicht früher wählen, als bis eine einigermaßen hin- 
reichende Anzahl von Ubooten zur Stelle wäre. Es schien mir fraglich, 
ob nicht besser der kommandierende Admiral des Marinekorps in Flan- 
dern die Blockadeerklärung ausspräche, damit nicht Kaiser und Regierung 
in dieser Angelegenheit festgelegt würden. „Die Blockade von ganz Eng- 
land“, so schloß ich mein kurzes Votum, „klingt zu sehr nach Bluff, 
Blockade zunächst der Themse scheine mir besser.“ Ich bielt es für 
richtiger, erst einmal im Kleinen anzufangen und zu sehen, wie die Dinge 
militärisch und politisch laufen würden. Eine solche Beschränkung hätte 
unseren Mitteln besser entsprochen und die Welt allmählich an den neuen 
Sperrgedanken gewöhnt. Wir hätten Amerika geschont, inobesondere 
die stets auf Liverpool fahrenden atlantischen Passagierdampfer nicht 
berührt und so die Gefahr verringert. 
Admiral v. Pohl machte sich meinen Standpunkt nicht zu eigen. 
Am 15. Dezember legte er mir den Entwurf eines Schreibens an das 
Auswärtige Amt vor, in dem er Zustimmung zur Eröffnung des Unter- 
seebootskriegs Ende Januar erbat, und zwar sollte der englische Kanal 
und die sämtlichen das Vereinigte Königreich umgebenden Gewässer
	        
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