War es zu spät? 203
Monat zu verlieren. Dies war die einfache Entscheidung. Über sie
durfte man nicht hinwegtänzeln wollen. Auf Amerikas Vermittlung
gegen England warten, war reiner Zeitverlust. So sah ich die Dinge
damals, und so lagen sie in der Tat, wie die Folgezeit erwiesen hat.
Die Erklärung vom 8. Februar 1916, daß wir bewaffnete Handels-
schiffe nun doch angreifen wollten, war eine Spielerei, eine Täuschung
für unser Volk. Nachher wurde im Susserfall eine an sich rechtmäßige
Torpedierung erst abgeleugnet, dann gemißbilligt. Statt nach diesem
abermaligen Gehorsam gegen Wilson nun klar Deck zu machen, wurde
im Herbst 1916 über Hindenburgs und Scheers Köpfe hinweg die neue
Halbheit des Ubootskreuzerkriegs probiert. Darauf folgte das Durch-
einander des uneingeschränkten Ubootskriegs mit der Friedensaktion um
die Jahreswende 1917. Endlich wurde der rücksichtslose Ubootskrieg,
der ein Jahr früher noch als der Ausdruck einer siegesbewußten starken
Nation erschienen wäre, als Verzweiflungsschritt mit halbem Herzen
und schon gebrochenem Prestige unternommen. Nun aber folgte die
neue Krankheitsgeschichte seiner politischen Durchlöcherung, baupolitischen
Vernachlässigung und strategischen Schwächung unter einem politischen
Führer, der selbst an den Erfolg nicht recht glaubte.
Hätte man in Deutschland die russische Revolution vorhersehen
könnsn, so hätten wir den Ubootskrieg 1917 vielleicht nicht als letztes
Mittel anzusehen brauchen. Von der russischen Revolution aber war
im Januar 1917 noch kein Vorzeichen äußerlich bemerkbar. Auf der
andern Seite übersahen offenbar auch die amtlichen Stellen in Deutsch-
land nicht völlig die verheerende Wirkung unserer diplomatischen Fehler
in der Behandlung Wilsons, insbesondere von der Sussernote bis zur
Mexikodepesche, welche allein die erstaunliche Vehemenz möglich mach-
ten, mit der das amerikanische Volk sich in diesem seinen eigenen
Interessen so fremden Krieg mitreißen ließ. ·
Es ist schwer zu sagen, ob ich als verantwortlicher Staatsmann,
bei Kenntnis aller damals erreichbaren Einzelheiten, Anfang 1917 den
Ubootskrieg noch gemacht hätte. Unsere verfahrene Lage ließ uns
freilich kaum noch einen andern Ausweg, um zu versuchen, dem voll-
kommenen Ruin zu entgehen. Der Wert des Ubootskrieges war
schon gemindert, die mit ihm verknüpfte Gefahr vergrößert. Ich hatte
als nicht eingeweihter Privatmann damals das innerste Gefühl, daß
es gefährlich spät wäre, hielt mich aber durch die Auffassung der im Amt