36 Aufstieg
die wir beim Flottenbau hindurchmußten, zunächst den Blicken ver-
beckten.
Ich stehe noch heute auf dem Standpunkt, daß der Versuch gar nicht
unterbleiben konnte, durch den Bau einer Flotte uns zur wirklichen
weltpolitischen Freiheit hindurchzuarbeiten. Dem deutschen Volk wird
es in den auf den Weltkrieg folgenden Jahrzehnten nicht erspart bleiben,
die Gegenprobe zu erleben und zu erfahren, was es heißt, dem Be-
lieben der Angelsachsen ausgesetzt zu sein. Wer freilich davon überzeugt
ist, wir seien von Natur oder infolge unsres geschichtlichen Zuspät-
kommens überhaupt ungeeignet, Seemacht zu bilden, und hätten uns
infolgedessen von vornherein in die britische Vormundschaft fügen sollen,
der muß zu einer Verurteilung meiner damaligen Gedankengänge ge-
langen. Wenn ich nicht den Glauben an die große Zukunft des deutschen
Volkes auf der Erde gehabt hätte, würde ich nicht die Kraft besessen
haben, ihm eine Flotte zu bauen. Insofern habe ich mich vielleicht ge-
täuscht, wenn ich auch überzeugt bin, daß bei einer Politik der größeren
Vorsicht einerseits, der größeren Tatkraft anderseits dieser Versuch, zur
weltpolitischen Freiheit durchzudringen, gelungen wäre. Auch noch im
Weltkrieg hatten wir bei anderer Führung wohlbegründete Aussicht, uns
zu behaupten. Wollte man aber die Flotte nicht bauen und von den
Neunziger Jahren ab den Weg des Verzichtes beschreiten, dann hätten
wir auch Handel und Industrie freiwillig zurückschrauben, unsre Aus-
wanderung wieder in Fluß bringen und unsre Auslandsinteressen ver-
kümmern lassen müssen. Dann hätten wir, wie Lichnowsky sagt, den
„Angelsachsen und den Söhnen Jahwehs“ das Feld überlassen und
uns mit dem alten Ruhm begnügen müssen, das Salz der Erde, der
Völkerdünger zu sein. Eine Illusion aber war und ist es zu glauben,
die Engländer hätten und im Justand der Flottenlosigkeit etwa mehr
geschont und unsern wirtschaftlichen Auftrieb ungehemmt sich weiter
vollziehen lassen. Sie hätten uns dann wohl schon früher Halt ge-
boten. Darüber konnte sich, wer die Engländer kannte, nicht im Zweifel
sein. Die Vernichtungsrufe in der englischen Publizistik der Neunziger
Jahre waren bei weitem nicht das einzige Anzeichen dafür, daß der un-
bequeme, aber ohnmächtige deutsche Wettbewerber bei der ersten sicheren
Gelegenheit niedergeschlagen werden würde. Der Deutsche, der gut-
gläubig es für sein Recht hielt, sich friedlich auf der Welt auszu-
breiten und allerorten namentlich den englischen Einfluß zu überflügeln,