54 Aufstieg
den erschwerten politischen Umständen des Zeitalters zu streben hatten.
Mit Sorge sah ich die unbesonnenen Herausforderungen, die sich damals
unsere öffentliche Meinung gegen England erlaubte. Mit Sorge sah
ich auch, wie das Draufgängertum des damaligen Marine-Oberkom-
mandos den Kaiser bei den Transvaalschwierigkeiten beriet. Ich bat
deshalb in demselben Vortrag, in welchem ich meinen Flotten-
plan vorlegte, auch darum, bei der Verwendung der Auslandsschiffe
wegen deren politischer Natur gehört zu werden. Der Kaiser und das
Oberkommando sagten dies zu; es wurde aber nachher nicht danach
gehandelt. Der Kaiser stimmte im übrigen mit einer mich überraschenden
Sinnesänderung sofort meinem Flottenplan zu, und damit verschwand
im Juni 1897 endgültig aus den Entwürfen jene Auslandsflotte, die
im Kriege zweifellos einen kurzen Atem gehabt hätte. Ohne Bündnis
mit einer andern Seemacht zweiten Ranges sah ich freilich auch die zu
bauende Schlachtflotte schon damals nicht als Allheilmittel an, wohl aber
als die notwendige Staffel zu unserer Bündnisfähigkeit und damit
als einzigen greifbaren Ansatz, um England gegenüber jene Selbstän-
digkeit zu gewinnen, die damals in Deutschland einstimmig und mit
Recht gefordert, leider aber auch vielfach in nicht realpolitischer Sinnes-
art als bereits vorhanden vorweggenommen wurde.
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Meine Arbeitsweise hatte stets das Nelsonsche: „We are a band
of brothers“ zum Motto. Seit meinen ersten Aufgaben hatte ich Dinge
vor mir, die perspektivisch von vielen Seiten betrachtet werden mußten,
und wer sich nicht als Napoleon fühlt, der allem seinen persönlichen
Stempel aufdrücken darf, muß sich ein Bündel anschaffen, das schwerer
zu brechen ist als ein einzelner Stab. Wer einem großen Geschäft
vorsteht, soll sich davor hüten, selbst alles machen zu wollen. Ich
hatte bei Caprivi wahrgenommen, daß er zuviel persönlich verfaßte.
Wenn er etwas in seiner schönen, gleichmäßigen Handschrift geschrieben
hatte, war es schwierig, ihn davon abzubringen; er war sozusagen in
seine Gedankengänge verliebt. Die Gefahr habe ich auch bei mir be-
merkt; um so mehr hielt ich mich zurück, um dem an sich Richtigen
unbefangener gegenüberzustehen.
Vor nichts habe ich mich beim Organisieren so gehütet wie davor,
einen grundsätzlich falschen Schritt zu tun. Denn bei einmal geschaf-