60 Aufstieg
mur mit Mühe sprechen. Nach dem Genuß von 1 ½ Flaschen Sekt
wurde er lebendiger. Nach dem einfachen Frühstück rauchte ihm Gräfin
Wilhelm Bismarck die lange Pfeife an und die Damen verließen den
Raum. Die Stimmung war schwül. Mit einem Male wölbten sich die
großen Augenbrauen, er sah mich mit einem vernichtenden Blick an und
grollte los: „Ich bin kein Kater, der Funken gibt, wenn er gestreichelt
wird.“ Sonst bin ich nicht schlagfertig, aber angesichts dieser fast ver-
zweifelten Aussichten konnte ich doch nicht stumm sitzen bleiben und er-
widerte: „Soviel ich weiß, sind das nur die schwarzen Kater, Durch-
laucht.“ Graf Rantzau griff eifrig ein: „Der Admiral hat Recht, es
sind nur die schwarzen.“ Die Atmosphäre wurde weniger elektrisch.
Ich sagte nun meinen Auftrag und er antwortete, er könnte nicht mehr
nach Kiel kommen, Uniform anziehen und Sporen tragen, und wollte
nicht als Ruine vor der Offentlichkeit stehen. Um etwas Positives
herauszubekommen, erwähnte ich, ob vielleicht eine der Schwieger-
töchter beim Stapellauf erscheinen könnte? Er erwiderte, da müßte ich
diese fragen; er überließ es der Form nach deren privater Entschließung.
Darauf berichtete ich meinen persönlichen Hauptzweck.
Ich legte meinen Plan dar, bemühte mich den Fürsten zu überzeugen,
daß es sich um keine bloße monarchische Liebhaberei handle, wogegen
ich mich in diesen Jahren häufig zu verteidigen hatte, und betonte, es,
wäre die Absicht, das schon 1867 vom Reichstag genehmigte Marine-
programm jetzt, in moderne Form gegossen, durchzuführen. Wir müß-
ten mit Rücksicht auf das kommende Jahrhundert ein gewisses Maß
politischer Seemacht haben. In den Siebziger Jahren wäre das nicht
so nötig gewesen, unermeßlicher Ruhm und der Glanz großer Namen
hätten uns damals über jede Schwierigkeit hinweggeholfen. Jetzt da-
gegen würde eine Unterlage realer Macht notwendig, z. B. angesichts
unsrer Lage bei einem russisch-englischen Krieg, mit dem ernsthaft zu
rechnen wäre. Ich wäre gekommen, mir seinen Segen zu erbitten,
wenn wir jetzt gemäß unsren taktischen Erfahrungen eine bestimmte
Flottenmacht schüfen.
Von der militärischen Seite der Sache wollte Bismarck offenbar
nichts hören, das war nach wenigen Worten herauszuspüren. Von den
großen Schiffen hielte er nicht viel; mit seinem Freund Roon wäre er
der Ansicht gewesen, daß man viele kleine Schiffe brauchte, die wie
Hornissen um das große Schiff schwärmten. Mein Versuch, ihm bei-