Bei Bismarck 61
zubringen, daß das große Schiff die Kraftkonzentration bilde und an
den einzelnen Stellen die Überlegenheit hätte, gelang nicht sehr; er
meinte, das möchte für die Bataille rangée gelten, aber er bliebe bei
den „Hornissen“ und wünschte durch viele kleine Schiffe, die man
draußen in der Welt fahren lassen könnte, den Auslandsdienst zu
poussieren. Meine Bestätigung, es wäre wichtig, wenn wir ein paar
Auslandshäfen bekämen, führte zu einem Ausbruch gegen Caprivi.
Ausgenommen seinen alten Freund Roon, der bis 1871 das Marine-
ministerium im Nebenamt versah, hätte er sich nie mit den Marine-
ministern gestanden. Caprivi wäre immer wie ein hölzerner Ladestock
zu ihm in die Wilhelmstraße gekommen; was hätte man auch viel von
ihm erwarten können; er hätte als Leutnant ohne Zulage zweiundzwanzig
Jahre in Berlin die wohlhabenden Kavallerieoffiziere gesehen, deren
Väter Landgüter gehabt hätten; als er Reichskanzler wurde, hätte er
geglaubt, es den Grundbesitzern eintränken zu können. Die Lösung des
Rückversicherungsvertrages mit Rußland wäre das furchtbarste Unheil
gewesen. Unsre politische Lage bei einem englisch-russischen Konflikt, so
erklärte mir Bismarck, wäre durch das Stichwort „Neutralität gegen
Rußland“ gegeben; das brauchte Rußland, das genügte ihm aber auch.
Die von mir angeregte Möglichkeit, daß ein neuer Pitt eine solche
Neutralität eben nicht wünschen und unsre Feindschaft vorziehen könnte,
sowie daß auch andere Konstellationen denkbar wären und nur eine acht-
bare Flottenstärke uns für Rußland und andre Mächte bündnisfähig
machen könnte, wies Bismarck beinahe zornig von der Hand. Die Eng-
länder wären einzeln genommen ganz würdig, aber Krämerseelen in
der Politik. Wenn sie kämen, würden wir sie mit Landwehrkolben tot-
schlagen. Daß eine scharfe Blockade uns niederzwingen würde, könnte
er nicht im mindesten verstehen.
Der alte Fürst dachte offensichtlich an das agrarische Deutschland
von 1870 und an das politische England von 1864, und verstand die
gewaltige Position des britischen Weltreichs im Jahre 1897 nicht mehr.
Überhaupt folgte er mehr seinen eigenen, von früher her feststehenden
Gedankengängen, als daß er sich noch die Mühe nahm, einen Vortrag
aufzunehmen. In der Hauptsache aber gab er mir Recht: „Sie brau-
chen mich gar nicht davon zu überzeugen, daß wir mehr Marine nötig
haben.“ Er hat mir später die Zustimmung zu meinem Vorgehen auch
noch schriftlich bestätigt. ·