Anregungen 79
Verhältnissen nicht immer leicht zu erfüllen war. Die Veranlagung
des Monarchen war der meinen entgegengesetzt. Manchen Persönlich-
keiten wurde leicht im Lauf der Zeit das moralische Rückgrat gebrochen.
Ich habe mich davor bewahren können. Der Kaiser glaubte wohl auch
meine organisatorische Erfahrung nicht entbehren zu sollen; aber ich war
ihm doch ein unbequemer Untergebener und habe als solcher alle Stadien
der Gnade und Ungnade durchgemacht. Ein Bekannter sagte mir ein-
mal, in solchen Lagen wie der meinigen wäre das „Stadium der leich-
ten Ungnade“ das wünschenswerteste. Ich hatte selbstverständlich dem
Kaiser zu lassen, was des Kaisers ist. Ich bemühte mich stets, erfüllbare
Wünsche des Monarchen zu befriedigen, auch solche, die mehr in das
Gebiet der Liebhaberei fielen, soweit ich sie namentlich finanziell ver-
antworten konnte. Weniger Erfolg hatte ich darin, dekorative Ver-
anstaltungen und Reden, Festlichkeiten wie die Kieler Woche und Schiffs-
kaufen, etwas zurückzudämmen, da der Keiser sie für nützlich für das
deutsche Publikum hielt, während ich mehr ihre Wirkung im Ausland
vor Augen hatte.
In allen wesentlichen Punkten, die den Aufbau der Flotte betrafen,
mußte ich unbeugsam bleiben. Ich habe nicht immer alles äußern können,
was ich dachte, habe aber dem Kaiser nur reinen Wein eingeschenkt.
Unter den Fragen, für welche der Kaiser Anregungen gab, und das
waren freilich sehr viele, ragten technische Konstruktionen hervor, Ge-
bäude, Küstenforts, vor allem aber Schiffe selbst. Die Fragen des
Hineinpassens ins Ganze und des Geldes traten dann leicht zurück.
Der Kaiser kannte die fremden Marinen gut und neigte mit deutschen
Augen dazu, ihre Vorzüge stärker zu sehen als ihre Nachteile. Wer ihm
Mißtrauen gegen die Qualität unseres eigenen Materials zutrug, fand
stets williges Gehör. Er entwarf mit großem Talent und Eifer Skizzen
von Schiffen, ließ sie vervielfältigen und verschenkte sie reichlich, wie
bekannt auch dem Reichstag, der sie mit geteilten Empfindungen ent-
gegennahm.
Daß eine mit Wissenschaftlern und Praktikern so ausgestattete Be-
hörde wie das Reichsmarineamt über reichere Mittel für objektive
Urteilsbildung als irgendein einzelner Mensch verfügte, wurde nicht
gern anerkannt, den eigenen Beamten ein gewisses Maß von Miß-
trauen zum Ausdruck gebracht. Man konnte vom Kaiser in technischen
Dingen auch nicht das Urteil eines durchgebildeten Fachmannes ver-