Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

In der Preußischen Marine 7 
zum Offiziersrang aufstieg. Aber die Lehrer wußten dies Menschen- 
material wenig zu handhaben. Viele von den alten preußischen Marine- 
offizieren gingen deshalb um die Ecke oder bekamen Schrullen; im besten 
Falle wurden sie Autodidakten. Mein Jahrgang indeß war begünstigt; 
wir hatten vorzügliche Vorgesetzte, an die ich dankbar zurückdenke. Der 
spätere Admiral Batsch war unser Kommandant. Nicht mit Unrecht sagt 
man, es hänge von der Art, wie die Kadetten im ersten Jahre angefaßt 
werden, ab, ob der Jahrgang, die „Crew“, einschlüge oder nicht. 
Der Dienst gruppierte sich in der Hauptsache darum, die Handhabung 
der Takelage zu erlernen. Die Segelkunst, wie sie durch die Jahrtausende 
ausgebildet war, erforderte lange Übung für Offiziere wie Mannschaften. 
Wir haben auf unseren Übungsfahrten verschiedentlich, wie es bei der 
Segelzeit nicht anders war, Abenteuer erlebt, welche uns die Tage Mar- 
ryats und Nelsons wie selbstgeschaute verstehen ließen. 
Etwas vom Mittelalter hatten unsere Leistungen damals auch noch im 
Krieg. Die „Niobe“ hatte 1866 im Kanal auf ein Zusammentreffen mit 
der österreichischen Dampferkorvette „Erzherzog Friedrich“ zu rechnen 
und sollte als Segelschiff ein Gefecht vermeiden. Ich stand damals als 
Nr. 3 am Vorderladergeschütz, um die Kugeln in die Mündung zu schieben; 
neben mir lag griffgerecht meine Pike für den Fall, daß der Feind 
entern und durch die Pforte hindurchdringen wollte. Andere Leute hiel- 
ten Enterbeile bereit, um sie in die feindliche Schiffswand zu schlagen 
und als Stufen zu benutzen. Bei den Scillyinseln sichteten wir ein bei- 
gedrehtes Schiff von der Art des Österreichers. Es hielt unter Segel 
offenbar auf uns ab, — schraubte dann den Schornstein in die Höhe 
und folgte uns unter Dampf. Nebel trennte uns während der Nacht. 
Als in der Gegend vor Plymouth der Nebel hochging und wir klar zum 
Gefecht bei den Kanonen standen, heißte die Fregatte die norwegische 
Flagge und wir Jungen waren um unsere Kampfesfreude betrogen. In 
Kiel lagen wir später mit geladenen Geschützen vor den Straßen der 
Altstadt, die zum Wasser hinabführen, als die Preußen unter Man- 
teuffel bei Holtenau über den Kanal heranrückten und es fraglich schien, 
ob die Osterreicher unter Gablentz Widerstand leisten würden oder nicht. 
Gablentz setzte sich aber auf die Bahn und fuhr ab; unsere Musikkapelle 
spielte ihm das Geleit. Die österreichischen Offiziere waren in Kiel 
sehr beliebt gewesen; ihre vielen Verlobungen gingen ja nun entzwei, 
aber sie hatten die Herzen gewonnen, während die Preußen, die den
	        
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