Full text: Auswahl für das Feld.

begannen schon jetzt unheilvolle Händel zwischen dem Bistum und 
dem Orden. Solche Erscheinungen heben die preiswürdige Tat— 
sache nicht auf, daß die Ordensherrschaft das ausgedehnteste Ge— 
biet einheitlichen Rechtes im deutschen Mittelalter umfaßt. Jeder 
Komtur einer Ordensburg ist zugleich Bezirkshauptmann für die 
Landesverwaltung, führt den Vorsitz im Landthing, und selbst die 
mächtigen Städte müssen sich ihm beugen. Das Recht der Städte 
hat der Hochmeister durch eine allgemeine städtische Willkür ge— 
regelt, die nicht ohne seinen Willen geändert werden darf. Er 
allein entscheidet über die Freiheit des Handels und die Zulassung 
der Fremden, er bestimmt die Willkür für die Weichselschiffahrt. 
Ihm dankt das Land gleiches Maß und Gewicht; nur seiner 
Landesmünze zu Thorn ist der Münzenschlag vorbehalten. 
Und doch war die Stellung der großen Städte des Landes, die 
früh der Hansa Deutschlands beitraten, zu ihrer Landesherrschaft 
nach modernen Staatsbegriffen ebenso unbegreiflich, wie die Lage 
aller anderen landsässigen Hansestädte. Die „unter beiden Meistern 
sitzenden“ Hansestädte (in Preußen die Sechsstädte, Danzig, El— 
bing, Thorn, Kulm, Königsberg und das kleine Braunsberg, — 
denn das reiche Memel blieb butenhansisch) — sie beschlossen auf 
den gemeinen Hansetagen oder gar auf ihren preußischen Städte— 
tagen zu Marienburg und Danzig den Krieg gegen Könige, die 
mit dem Orden in Frieden lebten. Sie spielten — ein Staat 
unter Staaten — die Rolle des Vermittlers in den Händeln des 
Ordens mit Litauen, oder baten den Hochmeister um seine Ver— 
wendung in hansischer Sache bei der Königin von Dänemark. Die 
bittere Not, der Ernst der politischen Arbeit und das nicht ein— 
gestandene, doch unzweifelhaft bereits lebendige Bewußtsein, auf 
wie schwachen Füßen die glänzende Ordensherrschaft stehe — das 
alles zwang den Orden, die ritterlichen Vorurteile zu verschmähen, 
den Eifer der Herrschsucht zu mäßigen und als treuer Bundes— 
genoß zu den Städten Niederdeutschlands zu halten. Waren doch 
beide im Innersten verwandt als Aristokratien von Deutschen in— 
mitten halbbarbarischer Völker, als trotzige Eroberer unter frem— 
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