Vor wenigen Monden noch hatte Plauen sein Knie gebeugt im
Zelte des Königs, Frieden erbittend von dem Ubermütigen. Jetzt
gebot er wieder über ein größeres Reich als jenes, das einst dem
Meister Winrich gehorcht. Aber wie anders waren den beiden die
Lose gefallen! Der eine leicht und freundlich dahingetragen von den
Wellen des Glücks, sein finsterer Nachfahr rastlos und furchtlos
ankämpfend wider ein ungeheures Verhängnis. Wie sollte seinem
klaren Auge entgehen, daß er dem Zufall die Gunst des Friedens
verdankte? Die Kapelle, die er auf dem Tannenberger Felde er-
bauen ließ, mahnte den Orden an den Tag der Schmach, an die
Notwendigkeit neuer Kämpfe. Eine unerschwingliche Schuld, das
Lösegeld für die Gefangenen, lastete auf dem Lande, das die hun-
nische Wut des Feindes von Grund aus verwüstet hatte. Ein zäher
Wille, der zu vergessen nicht verstand, sollte herrschen über einem
Volke, das in kurzen Wochen zweimal den Eid gebrochen. Zorn-
mutig brach der Meister selbst den Eid, den er beim Friedensschluß
dem König zugeschworen, daß das Vergangene vergeben sei, ließ die
entflohenen Brüder in Fesseln aus dem Reiche zurückführen. Und
wenn er sie musterte, die Elenden, die noch übrig waren von dem
weiland großen Orden, eine zuchtlos trotzige Jugend, die des
Ordens schöne Tage nicht gesehen, und eine Handvoll verlebter
Greise, die alltäglich baten um Erlösung von der Bürde ihres
Amtes: dann erwachte in dem Freunde des ersten Hohengoller=
schen Kurfürsten, dem stolzen Manne, der die Gnade Gottes sicht-
barlich zu seinen Häupten gesehen, der verwegene Gedanke, daß
des Ordens alte Satzung verwirkt sei durch den ungeheuren Frevel,
daß des Erretters Wille allein hersschen solle unter den Un-
getreuen.
Mißachtete er also das Recht des verfallenden Ordens, so er-
kannte der Blick des Staatsmannes, daß der frischeren Kraft des
Adels und der Städte die Teilnahme an der Leitung des Staats
sich fortan nicht mehr versagen ließ. Darum errichtete er (1412)
den Landesrat von Abgeordneten der Städte und des Landadels
mit dem Rechte der Steuerbewilligung und der Zustimmung in
8 H. v. Treitschke, Feldausgabe. 113