Full text: Auswahl für das Feld.

sunden Entwicklung. Als der Staat endlich ehrlich sein weltliches 
Wesen bekannte, gewann er die Kraft fortzuschreiten und sich um— 
zubilden nach dem Wandel der weltlichen Dinge. Ein frischerer 
Strom deutscher Bildung ergoß sich wieder über das Grenzland, 
seit der neue Herzog die Hochschule Königsberg, die Albertina, ge— 
gründet hatte, und dankbar schrieb Luther: „Siehe das Wunder, 
in vollem Laufe, mit vollen Segeln eilt das Wort Gottes ins 
preußische Land!“ 
Die geistliche Hülle aber, die der preußische Staat kühnlich ab— 
gestreift, fristete noch lange ein spukhaftes Dasein. Den Herzog 
traf der Bannstrahl des Papstes und die Acht des Kaisers. Die 
deutschen Herren in Deutschland entsetzten den treulosen Meister, 
gaben den Uberresten des Ordens neue Statuten. Im Südwesten, 
dem klassischen Gebiete der verfaulten geistlichen Herrschaften, hau- 
sten seitdem die neuen Hoch= und Deutschmeister. Die deutschen 
Herren führten das unnütze Dasein vornehmer Mönche, sperrten 
sich ab von den gesunden Kräften der Nation durch die peinliche 
Ahnenprobe, welche der Orden in seinen großen Tagen nicht ge- 
kannt. Unversöhnt und unbelehrt, nach theokratischer Weise, heischten 
sie jahrhundertelang das Land Preußen von den unrechtmäßigen 
durchlauchtigen Detentores. Vielmals trug sich der Hof zu Wien 
mit der Hoffnung, die Herrlichkeit des Ordens in dem Ketzerlande 
von neuem aufzurichten; noch der erste König in Preußen mußte 
die lärmenden Proteste des Ordens und des Papstes wider die 
angemaßte Würde belächeln. Die Stürme der Revolution haben 
auch den trägen Hof von Mergentheim hinweggefegt, doch in dem 
gelobten Lande der historischen Reliquien ist das Zerrbild alter 
Größe wieder auferstanden. Hart am Fuße der sonnigen Wein- 
gelände steht in Bozen das prächtige Deutschherrenhaus; auf seinen 
Toren prangt das schwarze Kreuz inmitten des Wappens der 
Habsburg-Lothringer. — 
War Preußen den Polen erlegen, so sahen sich die deutschen 
Lande im ferneren Osten den Angriffen der Moskowiter bloß- 
gestellt. Welch unheilvolle Verwicklung! Rußland, der natürliche 
128
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.