Full text: Auswahl für das Feld.

Haufe sagt: „ihm ist es Ernst“, das bezeichnet mit plumpem Wort 
und feinem Sinn den geheimsten Zauber menschlicher Rede. Ver— 
geblich suchen wir bei Fichte jene Vermischung von Poesie und Prosa, 
womit romanische Redner die Phantasie der Hörer zu blenden lieben. 
Sogar die Neigung fehlt ihm, freie Worte als ein Kunstwerk ab— 
zuschließen; der Adel der Form soll sich ihm gleich der guten Sitte 
ungesucht ergeben aus der vollendeten Bildung. Nur aus der voll— 
kommenen Klarheit erwächst ihm jede Bewegung des Herzens; die 
Macht seiner Rede liegt allein begründet in dem Ernste tiefen ge- 
wissenhaften Denkens, eines Denkens freilich, das sichtbar vor un- 
seren Augen entsteht. 
Er strebt nach der innigsten Gemeinschaft mit seinen Hörern; an 
der Energie seines eigenen Denkens soll ihre Selbsttätigkeit sich ent- 
zünden; er liebt es, „eine Anschauung im Diskurs aus den Men- 
schen zu entwickeln“. „Ich würde“, sagt er schon in einer Jugend- 
schrift, „die Handschrift ins Feuer werfen, auch wenn ich sicher 
wüßte, daß sie die reinste Wahrheit, auf das bestimmteste darge- 
stellt, enthielte, und zugleich wüßte, daß kein einziger Leser sich durch 
eigenes Nachdenken davon überzeugen würde.“ Diese Selbstbe- 
sinnung des Hörers zu erwecken, ihn hindurchzupeitschen durch alle 
Mühsal des Zweifels, angestrengter geistiger Arbeit — dies ist der 
höchste Triumph seiner Beredsamkeit, und es ist da kein Unterschied 
zwischen den „Reden“ und den Druckschriften; alle seine Werke 
sind Reden, das Denken selber wird ihm alsbald zur erregten Mit- 
teilung. Ein Meister ist er darum in der schweren Kunst des 
Wiederholens; denn wessen Geist fortwährend und mit schranken- 
loser Offenheit arbeitet, der darf das hundertmal Gesagte noch ein- 
mal sagen, weil es ein Neues ist in jedem Augenblicke, wie jeder 
Augenblick ein neuer ist. Doch vor allem, er denkt groß von seinen 
Hörern, edel und klug zugleich hebt er sie zu sich empor, statt sich 
zu ihnen herabzulassen. Die Jugend vornehmlich hat dies dankend 
empfunden; denn der die Menschheit so hoch, das gegenwärtige 
Zeitalter so niedrig achtete, wie sollte er nicht das werdende Ge- 
schlecht lieben, das noch rein geblieben war von der Seuche der 
1I51.
	        
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