nicht wieder erkennen, wenn er von den Zeitgenossen empfangen und
umgeformt wird zu anderen Gestalten, als sie meinten. Und dennoch
war der Redner an die deutsche Nation nur der Mund des Volkes
gewesen, er hatte nur dem, was jedes Herz bewegte, einen kühnen,
hochgebildeten Ausdruck geliehen. Denn was war es anders, als
jene höhere Vaterlandsliebe, die der noch ungeborenen Enkel denkt
— was anders war es, das den Landwehrmann von Haus und
Hof und Weib und Kindern trieb, das unsere Mütter bewog,
alles köstliche Gut der Erde bis zu dem Ringe des Geliebten für
ihr Land dahinzugeben? Was anderes war es, als daß sie unser
gedachten? In diesem Sinne — denn wer ermißt die tausend
geheimnisvollen Kanäle, welche das durchdachte Wort des Philo-
sophen fortleiteten in die Hütte des Bauern? — in diesem Sinne
hat Fichtes Wort gezündet, und die Kundigen stimmten ein, wenn
Friedrich Gentz, diesmal wahrhaft ergriffen, sagte: „So groß, tief
und stolz hat fast noch niemand von der deutschen Nation ge-
sprochen.“
Wieder kamen Jahre stiller Arbeit. Unter den ersten wirkte
Fichte bei der Gründung der Berliner Hochschule, die dem er-
wachenden neuen Geiste ein Herd sein sollte. Ein Glück, daß Wil-
helm Humboldt, als ein besonnener Staatsmann, an die altbewährten
Uberlieferungen deutscher Hochschulen anknüpfte und die verwegenen
Gedanken des Philosophen verwarf; denn mit der ganzen Strenge
seiner herrischen Natur hatte Fichte einen Plan mönchischer Er-
ziehung entworfen, der die Jugend absperren sollte von jeder Be-
rührung mit den Ideenlosen, doch in Wahrheit jede echte akade-
mische Freiheit vernichtet hätte. Um so unerschütterlicher bekämpfte
er auf der neuen Hochschule die falsche akademische Freiheit; er
fand es verwerflich, grundverderblich, Nachsicht zu üben mit alten
unseligen Unsitten der Jugend. Das wüste Burschenleben war
ihm eine bewußte, mit Freiheit und nach Gesetzen hergebrachte
Verwilderung. In diesen Jahren weihte er seine ganze Kraft dem
Lehramte. Die gewohnte Macht über die jugendlichen Gemüter
blieb ihm nach wie vor. Er nutzte sie, den Keim zu legen zu der
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