wäre, in dieser Form nicht da zu sein“, der Wahn der Ungleichheit
ist bereits durch das Christentum praktisch vernichtet. Aber wie viel
reicher und tiefsinniger erscheint ihm jetzt der Staat! Mit scharfen
Worten sagt er sich los von der naturrechtlichen Lehre, die er bereits
in den Reden an die deutsche Nation verlassen hatte. Er verwirft die
„schlechte Ansicht“, welche im Staate nur den Schützer des Eigen—
tums erblickt und darum Kirche, Schule, Handel und Gewerbe allein
den Privatleuten zuweist und im Falle des Krieges die Ruhe für
die erste Bürgerpflicht erklärt. Der Staat ist berufen, die sittliche
Aufgabe auf Erden zu verwirklichen. In den beiden schönen Vor-
lesungen, die „von dem Begriffe des wahrhaften Krieges“ handeln,
stellt er scharf und schroff die sinnliche und die sittliche Ansicht vom
Staate einander gegenüber. Nach jener gilt „zuerst das Leben,
sodann das Gut, endlich der Staat, der es schützt“. Nach dieser
steht obenan „die sittliche Aufgabe, das göttliche Bild; sodann das
Leben in seiner Ewigkeit, das Mittel dazu, ohne allen Wert, außer
inwiefern es ist dieses Mittel; endlich die Freiheit, als die einzige
und ausschließende Bedingung, daß das Leben sei solches Mittel,
drum —als das einzige, was dem Leben selbst Wert gibt“.
Der einst mit dem Mißtrauen des deutschen Gelehrten die Zwangs-
anstalt des Staates betrachtet, er sieht jetzt mit der Begeisterung
eines antiken Bürgers in dem Staate den Erzieher des Volkes
zur Freiheit, alle Zweige des Volkslebens weist er der Leitung
des Staates zu. Nur in einem solchen Staate ist „ein eigent-
licher Krieg“ möglich, denn hier wird durch feindlichen Einfall die
allgemeine Freiheit und eines jeden besondere bedroht; es ist dar-
um jedem für die Person und ohne Stellvertretung aufgegeben
der Kampf auf Leben und Tod.
Schon längst waren seine radikalen Theorien dann und wann
erhellt worden durch ein Aufblitzen historischer Erkenntnis; bereits
in seiner Jugendschrift über die französische Revolution hatte er
Friedrich den Großen gepriesen als einen Erzieher zur Freiheit.
Doch jetzt erst beginnt er die historische Welt recht zu verstehen.
Er erkennt, daß ein Volk gebildet werde durch gemeinsame Ge-
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