Leipzigs der von Süden heranrückenden böhmischen Armee die
Schlacht anzubieten, bevor die beiden anderen Heere eintrafen. Das
edle Wild war gestellt; das gewaltige Kesseltreiben dieses Herbstes
näherte sich dem Ende.
Gneisenaus Augen leuchteten, als er am Morgen des 18. Ok-
tobers das ungeheure Schlachtfeld überblickte, wie vom Nordwesten
und Norden, vom Südosten und Süden her die Heersäulen der
Verbündeten im weiten Halbkreise gegen Leipzig heranzogen. Er
wußte, die Stunde der Erfüllung hatte geschlagen, und wie er
empfand das Volk. Wie oft hatten sich die Deutschen erfreut an
den Schilderungen der Kaufleute von dem vielsprachigen Völker—
gewimmel, das von Zeit zu Zeit marktend und schachernd die
hochgiebligen Straßen der alten Meßstadt erfüllte; jetzt strömten
wieder alle Völker des Weltreichs vom Ebro bis zur Wolga in
den schlachtgewohnten Ebenen Obersachsens zusammen. Die große
Zahlwoche kam heran, die Abrechnung für zwei Jahrzehnte des
Unheils und der Zerstörung. Nach der Schlacht erzählte sich das
Volk in der Pfalz, wie die acht Kaiser aus den Grüften des
Speirer Doms sich erhoben hatten und nächtens über den Rhein
gefahren waren, um bei Leipzig mitzukämpfen; nach vollbrachter
Arbeit ruhten sie wieder still im Grabe. Die Verbündeten hatten
für sich den dreifachen Vorteil der Uberzahl an Mannschaft und
Geschütz, des konzentrischen Angriffs und einer sicheren Flügelan—
lehnung. Napoleon stand im Halbkreis auf der Ebene östlich
von Leipzig; hinter ihm lagen die Stadt und die Auen — jene
wildreichen dichten Laubwälder, die sich meilenlang zwischen der
Elster, der Pleiße und ihren zahlreichen sumpfigen Armen aus-
dehnen, ein für die Entfaltung großer Truppenmassen völlig un-
brauchbares Wald= und Sumpfland, das die beiden Flügel der
Verbündeten gegen jede Umgehung sicherte. Gelang der Angriff,
so konnte der Imperator vielleicht versuchen, irgendwo den eisernen
Ring der alliierten Heere zu durchbrechen und sich ostwärts nach
Torgau durchzuschlagen — ein tollkühnes Wagnis, das bei einiger
Wachsamkeit der Verbündeten sicher scheitern mußte. Sonst blieb
12 5. v. Treitschke, Feldausgabe. « 177