Trat Napoleon jetzt den Rückzug an, so konnte er sein Heer in
guter Ordnung zum Rheine führen; denn die schlesische Armee,
die einzige Siegerin des ersten Schlachttags, stand von der Frank—
furter Straße noch weit entfernt und war überdies tief erschöpft
von dem verlustreichen Kampfe. Aber der Liebling des Glücks
vermochte das Unglück nicht zu ertragen. Nichts mehr von der
gewohnten Kälte und Sicherheit der politischen Berechnung; sein
Hochmut wollte sich den ganzen Ernst der Lage nicht eingestehen,
wollte nicht lassen von unmöglichen Hoffnungen. Der Imperator
tat das Verderblichste, was er wählen konnte, versuchte durch den
gefangenen Merveldt Unterhandlungen mit seinem Schwiegervater
anzuknüpfen und gewährte also den Verbündeten die Frist, ihre
gesamten Streitmassen heranzuziehen. Am 17. Oktober ruhten die
Waffen, nur Blücher konnte sich die Lust des Kampfes nicht ver-
sagen, drängte die Franzosen bis dicht an die Nordseite der Stadt
zurück.
Am 18. früh hatte Napoleon seine Armee näher an Leipzig
herangenommen, ihr Halbkreis war nur noch etwa eine Stunde
von den Toren der Stadt entfernt. Gegen diese 160000 Mann
rückten 225000 Verbündete heran. Mehr als einen geordneten
Rückzug konnte der Imperator nicht mehr erkämpfen; er aber
hoffte noch auf Sieg, wies den Gedanken an eine Niederlage
gewaltsam von sich, versäumte alles, was den schwierigen Rück-
marsch über die Elster erleichtern konnte.
Die Natur der Dinge führte endlich den Ausgang herbei, wel-
chen Gneisenaus Scharfblick von vornherein als den einzig mög-
lichen angesehen hatte: die Entscheidung fiel auf dem rechten Flügel
der Verbündeten. Napoleon übersah von der Höhe des Thon-
bergs, wie die Osterreicher auf dem linken Flügel der Alliierten
abermals mit geringem Glück den Kampf um die Dörfer an der
Pleiße eröffneten, wie dann das Zentrum der Verbündeten über
das Schlachtfeld von Wachau herankam. Es waren die kampf-
erprobten Scharen Kleists und des Prinzen Eugen; über die un-
bestatteten Leichen der zwei Tage zuvor gefallenen Kameraden
182