kaiser“ doch nur darum bekämpft, weil sie fürchteten, ein preußi-
sches Kaisertum würde zu schwach sein für die Weltstellung der
Nation. Und wie stand es jetzt? Wer ein Deutscher sei, das
konnte niemand je bezweifeln; den Stempel unserer Art und Un-
art trugen wir alle so deutlich auf die Stirn geprägt, wie vor-
mals die geistes= und schicksalsverwandten Hellenen. Wo aber
Deutschland lag, das blieb durch die Jahrhunderte immer bestritten;
seine Grenzen wechselten beständig oder verschwammen im Nebel
des Reichsrechts. Fetzt erst entstand ein deutscher Staat, der seine
Grenzen kannte. Er hatte die Marken des Südostens verloren,
die von langeher mit dem Reiche nur lose zusammenhingen, aber
dafür die awulsa imperii am Rhein und an der Mosel endlich
zurückerobert und durch den Staat der Hohenzollern im Osten und
Norden weite Gebiete gewonnen, die dem alten Reiche niemals
oder kaum dem Namen nach angehörten: Schlesien, Posen, das
Ordensland Preußen, Schleswig. Er war mächtiger als das alte
Reich seit sechs Jahrhunderten je gewesen; wer durfte ihn noch
Kleindeutschland schelten? Aus dem ewigen Wogen und Fluten
der Völker im Herzen Europas waren schließlich zwei große Kaiser-
reiche hervorgegangen, das eine rein deutsch und kirchlich gemischt,
das andere katholisch und von vielen Nationen bewohnt, die doch
deutscher Sprache und Bildung nicht entbehren konnten. Ein solcher
Ausgang vielhundertjähriger Kämpfe mußte selbst der Phantasie
großdeutscher Schwärmer vorläufig genügen. Die ungeheuere Mehr-
heit der Nation stimmte jauchzend ein, als im Schlosse von Ver-
sailles der Heilruf der Fürsten und des Heeres den Kaiser be-
grüßte, der in seiner tiefen Bescheidenheit die neue Würde nur
zögernd annahm. —
Nicht alle Blüten jener hocherregten Tage sind zu Früchten aus-
gereift. Wir hofften damals, der begreifliche Groll der Besiegten
würde in zwei Jahrzehnten mindestens sich mildern und ein freund-
nachbarliches Verhältnis zwischen den beiden, durch gemeinsame
Kulturzwecke so eng verbundenen Nationen wieder möglich werden.
Wir hofften umsonst. Unerwidert, aber unversöhnlich klingen uns
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