Full text: Auswahl für das Feld.

fest auf dem Boden des Protestantismus. Sein Geist war zu 
sehr auf die Welt des Handelns gerichtet, um, gleich den weima— 
rischen Poeten, die Wirklichkeit über dem heiteren Spiele der Kunst 
zu vergessen, und doch zu künstlerisch, um bei der unerbittlichen 
allgemeinen Regel des kategorischen Imperativs sich zu beruhigen. 
Die Persönlichkeit, die ihre Eigenart frei entfaltet und zugleich den 
großen objektiven Ordnungen des Staates und der Gesellschaft 
sich mit Bewußtsein einfügt, war ihm die individuelle Form des 
allgemeinen Sittengesetzes. In seinen Reden über die Religion 
hielt er ihren gebildeten Verächtern die Mahnung entgegen: „die 
Religion haßt die Einsamkeit“, und zeigte, wie sie ihre Wurzeln 
im Gefühle habe, wie sie ein ursprüngliches, allem Handeln und 
aller Lehre vorangehendes Leben sei, eine sittliche Macht, wirksam 
in allen Menschen; nur durch sie könne der Mensch mitten in der 
Endlichkeit eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein in 
jedem Augenblicke. Und mit einem patriotischen Stolze, der schon 
die Stimmungen späterer Jahre vorausnahm, wies er auf die 
unbezwingliche Macht der Heimat des Protestantismus: „denn 
Deutschland ist immer noch da, und seine unsichtbare Kraft ist 
ungeschwächt“. Wie er die philosophische Selbstgenügsamkeit zum 
religiösen Gemeinleben heranrief, so wollte er sie auch die Würde 
des Staates erkennen lehren: der Staat ist das schönste Kunstwerk 
der Menschheit, gibt dem einzelnen erst den höchsten Grad des 
Lebens, sein Zwang darf also nicht als lästige Beschränkung emp— 
funden werden. 
Zu verwandten Anschauungen gelangte auch jener gestrenge steif- 
nackige Denker, dem Schleiermachers Gemütsreichtum als weibische 
Schwäche erschien; denn nur unter beständigen Kämpfen trotziger, 
eigenrichtiger Persönlichkeiten vollendete sich die literarische Bewe- 
gung, die uns Rückschauenden heute so einfach, so notwendig er- 
scheint. Mit Fichtes Philosophie sprach der transzendentale Idea- 
lismus sein letztes Wort. Er bestritt der Welt der Erfahrung 
kurzweg jede Realität: nur weil das sittliche Handeln eine Bühne 
fordere, nur deshalb sei der Geist gezwungen, eine Außenwelt 
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