Ein glücklicheres Geschlecht, emporgewachsen auf den Werken
unserer Tage, wird vielleicht dereinst als einen köstlichen Segen
preisen, was wir an der Unfertigkeit unseres Gemeinwesens noch
schmerzlich empfinden: daß die Deutschen so eigen zu ihrer Ge—
schichte stehen, daß wir so alt sind und so jung zugleich, daß un—
sere uralte Vorzeit nicht als eine Last auf unseren Seelen liegt,
wie vormals die Größe Roms auf den romanischen Völkern.
Preußen insbesondere mag mit Stolz den Namen führen, womit
seine Neider es schmähend ehren, den Namen des Emporkömm—
lings unter den Mächten. Dennoch sollten wir öfter, als es na—
mentlich bei uns in Süd- und Mitteldeutschland zu geschehen
pflegt, den Blick verweilen lassen auf jener kraus verschlungenen
Entwicklung, welche den kurzen zwei Jahrhunderten der modernen
preußischen Geschichte voranging. Ein kräftiges Gefühl der Sicher—
heit dringt uns zu Herzen, wenn wir das so plötzlich zur Reife
gediehene Werk durch die harte Arbeit langer Jahrhunderte vor—
bereitet sehen. Wir lachen des hämischen Geredes über die will—
kürliche Entstehung des preußischen Staates, wenn wir die deutsche
Großmacht der modernen Welt auf demselben Boden gefestet
schauen, wo einst das neue Deutschland unserer Altvordern, die
baltische Großmacht des Mittelalters sich erhob. Und wer mag
das innerste Wesen von Preußens Volk und Staat verstehen, der
sich nicht versenkt hat in jene schonungslosen Rassenkämpfe, deren
Spuren, bewußt und unbewußt, noch in den Lebensgewohnheiten
des Volkes geheimnisvoll fortleben? Es webt ein Zauber über
jenem Boden, den das edelste deutsche Blut gedüngt hat im
Kampfe für den deutschen Namen und die reinsten Güter der
Menschheit.
Gelehrte Bearbeiter haben dem reizvollsten Teile dieser Vor-
geschichte, der Geschichte des Ordenslandes Preußen, nie gefehlt.
Wie hätte es nicht jede lautere und jede lüsterne Phantasie locken
sollen, den Geschicken der geheimnisvollen Ordensburgen mit der
morgenhellen Pracht ihrer Remter und dem Spuk ihrer unter-
irdischen Gänge nachzuspüren? Diese rätselhaften Menschen zu
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