Full text: Auswahl für das Feld.

Seine Städte sind Pflanzungen der Osterlinge, daher, wie über— 
all in der Hanse, die Sprache ihrer Gemeindebücher und Handels- 
briefe niederdeutsch, die Silberwährung Nordeuropas alleinherr- 
schend, der Handel streng beschränkt auf die den Niederdeutschen 
vorbehaltenen nordischen Gebiete, der ganze Zug des bürgerlichen 
Lebens kühner zugleich und roher als in den oberdeutschen Städten, 
die mit den köstlichen Waren der Mittelmeerlande auch die Wissen- 
schaften und Kunstsitten des Südens, die Lust an Wandgemälden 
und zierlichen Brunnen über die Alpen bringen. Auch die bäuer- 
lichen Einwanderer kommen vornehmlich aus dem Norden, finden 
in Preußen die Marschen und Deiche der Heimat wieder. In 
dem herrschenden Stande jedoch, im Orden, überwiegen die Ober- 
deutschen; denn die Einwanderung geht über Land und der süd- 
deutsche Ritter verzichtet gern auf weitere Fahrt gen Osten, da er 
in Preußen schon kriegerische Arbeit in Fülle findet. Daher ist 
die Amtssprache des Ordens in Preußen ein allen verständliches 
Mitteldeutsch. Livland dagegen war wesentlich norddeutsche Pflan- 
zung; der deutsche Eroberer wird noch heute von den Letten als 
Sachse bezeichnet. Dorthin gelangen die Niederdeutschen, nament- 
lich Westfalen, auf den Schiffen der Hanse, zumeist über Lübeck. 
Im fünfzehnten Fahrhundert wird der Eintritt in den livländi- 
schen Zweig des Ordens den Norddeutschen allein vorbehalten, 
und seitdem begegnen uns unablässig in den Reihen der Ordens- 
gebietiger die westfälischen Geschlechter der Plettenberg, Kettler, 
Mallinkrodt. Die plattdeutsche Sprache beherrscht das Land aus- 
schließlich, bis Luthers Bibel dem Hochdeutschen auch hier die 
Bahn bricht; noch am Ende des sechzehnten Jahrhunderts schreibt 
Balthafar Rüssow von Reval seine Chronik niederdeutsch. — Dazu 
tritt ein vierter einschneidender Unterschied. Während in Preußen 
der Orden auf eine beinah moderne landesherrliche Machtfülle sich 
stützt, werden die östlichen Länder von mittelalterlicher Anarchie 
zerrissen. Der provisus des Ordens, der Erzbischof von Riga, 
beansprucht das Gericht über die deutschen Herren, ruft zuweilen 
selbst die litauischen Heiden zu Hilfe, beschützt die mißhandelten 
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