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haupt; fällt sie verneinend aus, so entsteht der neue Zweifel: Ist
beim Fehlen eines Inhabers der Staatsgewalt zu eigenem Rechte tber-
haupt die Existenz des Staates als solchen noch weiter möglich und
denkbar, mit anderen Worten, würde der Wegfall des Monarchen in
diesem Falle nicht auch den Untergang des Staates selbst bedeuten ?
Und wenn nicht, von wem und wie wird dann die Staatsgewalt, falls
sich eine solche noch konstruiren lässt, ausgeübt, wie gestaltet sich
das staatliche Leben im Zwischenreiche, welchen Charakter hat der
staatliche Organismus in der Krisis des Interregnums ?
$ 10.
Aeltere Meinungen.
I. Eine allseitig zusammenfassende Darstellung oder juristische
Konstruktion des Interregnums in der hier durchweg angenommenen
Bedeutung vom Standpunkte des allgemeinen Staatsrechts
aus findet sich nirgends; insofern das, was über das Interregnum in
einzelnen Staaten, speziell im ehemaligen deutschen Reiche, schon oben
abgehandelt wurde, nach der Auffassung der diesen Gegenstand be-
arbeitenden Publizisten auch allgemeine Geltung in Anspruch nimmt,
darf auf das bereits Angeführte verwiesen werden. Häufiger begegnet
man in Werken öffentlich-rechtlichen Inhalts Bemerkungen, die er-
kennen lassen, dass der Verfasser die Fragen und Zweifel, zu denen
das charakteristische Wesen des Zwischenreichs, sei es auch nur in
einzelnen Fällen, Veranlassung giebt, wohl gewürdigt hat, ohne sich
doch auf ihre Beantwortung und Lösung einzulassen; so bei REITE-
MEIER!), WEISS?), KLÜBER®), ZACHARIAE!), HELD), v. KIRCHEN-
HEIM 6), SEYDEL) und GRASSMANN S). Im Folgenden sollen zunächst
1) Grundsätze der Regentschaft S. 37.
2) Deutsches Staatsrecht S. 486 f.; hessisches Staatsrecht S. 219.
3) Oeffentliches Recht des deutschen Bundes $ 247.
4) Deutsches Staats- und Bundesrecht $ 78.
5) System des Verfassungsrechts II. S. 275, 285 Note 1.
6) Die Regentschaft S. 1, wo er von der „interimistischen Regierung“ spricht.
Ueber seine Theorie des Interregnums im Falle der Schwangerschaft der Monar-
chenwittwe s. unten $. 61 und a. a.0.S.65fl. An dieser Stelle sagt er, wenn
man in dem fraglichen Falle eine Regentschaft einsetzen wollte, so würde diese
einen ganz andern Begriff darstellen und einem Interregnum näher kommen
als dem, was wir Regentschaft nennen.
7) Bayrisches Staatsrecht I. S. 455.
8) Archiv für öffentl. Recht VI. S. 495 f.