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als Persönlichkeit aufgefasst, folgt nun unmittelbar aus dem recht-
liehen Charakter des Interregnums selbst.
1. Sie ist nicht Trägerin der Staatsgewalt, hat nicht die
Herrschaft als eigenes Recht, ist nicht Trägerin der Krone. Sie ist
der Staatsgewalt unterthan. Sie hat deshalb alle Pflichten, die den
Unterthanen obliegen, und geniesst keines der monarchischen Rechte,
die dem Monarchen eben deshalb zustehen, weil er nicht Unterthan
ist. Sie geniesst keine monarchischen Ehrenrechte. Sie ist in vollem
Umfange steuerpflichtig und wehrpflichtiig. Sie ermangelt der Un-
verantwortlichkeit, die dem Träger der Staatsgewalt zukommt. Sie
ist anders als der Monarch jeder Form staatlichen Zwangs unter-
worfen, möge sich dieser als Gerichts- oder anderer Zwang darstellen.
Ist allerdings der Vikar als Mitglied der landesherrlichen Familie
(beim Schwangerschaftsinterregnum) in irgend welcher Richtung von
der Staatsgewalt eximirt, so bleibt er es auch im Interregnum; das
folgt aber dann aus seiner Zugehörigkeit zum Herrscherhause, nicht
aus seiner Stellung als Vikar. Weil nicht Souverän, erfreut sich
die provisorische Regierung auch im völkerrechtliehen Verkehre nicht
der Vorrechte, die der Monarch als Träger der Staatsgewalt geniesst.
Sie ist als solche im fremden Staate nicht exterritorial, falls ihr nicht
etwa das Recht der gesandtschaftlichen Exterritorialität zusteht.
2. Der Vikar ist auch ferner nicht Regent im technischen
Sinne, er handelt nicht im Namen des Trägers der Staatsgewalt,
weil es einen solchen nicht giebt.!) Deshalb ermangelt er der recht-
lichen Auszeichnungen, die dem Regenten, weil und insofern er an
die Stelle eines gekrönten Hauptes tritt, gegeben zu sein pflegen.
Weder wird man ihm gegenüber Angriffen auf sein Leben, seinen
Leib, seine Freiheit und seine Ehre den erhöhten Strafschutz zuge-
stehen dürfen, den einzelne Rechtsordnungen dem Regenten ange-
deihen lassen, noch wird man ihm die politische und rechtliche, ins-
besondere strafrechtliche Unverantwortlichkeit einräumen können, die
nach der richtigen Ansicht?) dem Regenten gegeben ist. Namentlich
wird in den Staaten, in denen das Staatsministerium der Volksre-
präsentation verantwortlich ist, diese oberste Staatsbehörde, falls
ihr die Reichsverwesung im Interregnum zufällt, der sogenannten
Volksvertretung genau in demselben Masse verantwortlich sein
1) Peters, Regentschaft und Regierungsstellvertretung S. 3.
2) Die Litteratur bei G. Meyer, Staatsrecht S. 230 f.; v. KırCcHENHEIM,
Regentschaft S. 154; Bıspıns, Handbuch des Strafrechts I. S. 670, Note 15; PETERS,
Regentschaft S. 58 ff.