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Diese bedeutet nichts anderes als die zufällige Thatsache, dass der
Träger der Staatsgewalt in dem einen Staate zugleich das Subjekt
der Staatsgewalt in einem anderen ist. Diese Thatsache begründet
wohl Beziehungen politischen Charakters zwischen den vom selben
Herrscher beherrschten Staaten, erzeugt aber nicht ohne Weiteres
auch Rechte und Pflichten, also ein Rechtsverhältniss zwischen ihnen.
Streng genommen gehören solche Thatbestände nicht in eine juri-
stische Darstellung hinein; wir sehen deshalb auch im Folgenden
von diesen Staatenverbindungen im weiteren Sinne!) gänzlich ab.
Was die Personalunion anlangt, so mag nur hier, weil anderwärts
hervorgehoben, die eigentlich selbstverständliche Bemerkung Platz
finden, dass durch den Eintritt eines Interregnums in dem einen der
durch Personalunion verbundenen Staaten diese Union „endigen“,
d. h. die rechtlich irrelevante Thatsache der Herrschergemeinschaft
aufhören kann. Das ist dann der Fall, wenn in dem einen Staate
mit dem Wegfalle des gemeinschaftlichen Herrschers unmittelbar ein
anderes, gleichwerthiges Subjekt an die Stelle des weggefallenen
tritt, während die Rechtsordnung des anderen Staates eine solche
unmittelbare Succession im konkreten Falle nicht gestattet. ?)
II. Die Staatenverbindungen rein juristischen Charakters d. h.
Rechtsverhältnisse zwischen Staaten sind verschiedener Natur. Ein
Rechtsverhältniss zwischen Staaten kann entweder ein Verhältniss
der Nebenordnung, der Koordination oder ein Verhältniss der Ueber-
an sich nicht in eine rechtliche Untersuchung der Staatenverbindungen gehöre,
und führt sie desbalb unter den von ihm so genannten historischpolitischen Ver-
bindungen auf: a. a. O. S. 59. Vgl. Brie, Theorie der Staatenverbindungen
$. TL£.
1) Wenn die Inkorporation eines Staates in einen anderen (Union, Fusion,
Annexion) unter die Staatenverbindungen gerechnet und mit ihnen zusammen
behandelt wird (so JELLINEK a. &. O.S. 68ff.), so lässt sich das nur rechtfertigen,
wenn man unter Staatenverbindung hier den Vorgang der Vereinigung mehrerer
Staaten, nicht aber das durch ihre Vereinigung geschaffene Verhältniss begreift.
Denn die Inkorporation bewirkt den Untergang des inkorporirten Staates, nicht
aber ein Verbundensein meherer Staaten. Richtig Brie in Grünhuts Zeit-
schrift XI S. 104. Von keinem Standpunkte aus lässt es sich dagegen vertheidigen,
wenn das Verhältniss von Haupt- und Nebenland, Mutterland und Kolonie in
diesem Zusammenhange besprochen wird (JELLINER 8. 8.0.S.63#f.; vgl. BLUNTSscuL1,
Politik S. 405ff.); denn Nebenland und Kolonie sind niemals Staaten. Ueberein-
stimmend BrıE a.a. 0. S.104f. Auch JELLInEX ist sich hier wie mit Rücksicht
auf. die Inkorporation wohl bewusst, dass die Einreihung dieser Thatbestände
in eine Gesamtdarstellung der Staatenverbindungen innerlich nicht zu begründen ist.
2) v. JURASCHEK, l’ersonal- und Realunion S. 74ff.; JELLINEX &.a.0. S. 87.