Uebersicht der Ertignisse des Jahres 1863. 391
die erstere Zumuthung wahrte sich indeß Baden seine Freiheit und was deutts-
die letztere betraf, so mochte die Mehrheit der Fürsten sich doch nicht so
weit der absoluten Leitung Oesterreichs hingeben und zog es vor, den
Entwurf vielmehr Punkt für Punkt bis zu Ende zu berathen. Von den
beschlossenen Abänderungen verdienen wenigstens einige als in verschiedenen
Beziehungen besonders bezeichnend hervorgehoben zu werden: Die Zahl
der Mitglieder des Directoriums wurde von 5 auf 6 Mitglieder erhoben,
d. h. den übrigen Fürsten außer Oesterreich, Preußen und Bayern 3 statt
bloß 2 Mitglieder zugestanden; ferner wurde für weitere Abänderungen der
Bundesverfassung oder die Einführung neuer organischer Einrichtungen
u. dgl. statt der von Oesterreich proponirten 17 Stimmen vielmehr Stim-
meneinhelligkeit gefordert und endlich für Theilnahme des Bundes an einem
Kriege solcher Bundesfürsten, die zugleich auch außerhalb des Bundes Be-
sitzungen haben, nicht bloß Stimmenmehrheit, sondern wie für einen Bun-
deskrieg zwei Drittheile der Stimmen verlangt. Am 1. September wurde
der Congreß geschlossen. Baden stimmte dem Elaborat als Ganzem nicht
zu und gab eine besondere Schlußerklärung zu Protokoll. Noch beschlossen die
Fürsten, die vor Beginn ihrer Spezialberathungen eine Collectiveinladung
zur Theilnahme an Preußen gerichtet hatten, die dieses jedoch ebenso wie die
frühere Einladung Oesterreichs ablehnte, wiederum eine Collectiveinladung
an dasselbe, ihren Beschlüssen beizutreten. Dann trennten sie sich. Die
Anschauungen der öffentlichen Meinung über das Resultat des Congresses
gingen weit auseinander. Viele gaben sich der Hoffnung hin, daß ein
lebensfähiges Werk geschaffen worden sei und wenn sie auch gestehen muß-
ten, daß das Gebotene selbst den bescheidensten Wünschen der Nation kaum
genüge, so trösteten sie sich damit, daß etwas doch besser sei als gar nichts.
So viel aber stand für Jedermann fest, daß die unveränderte Aufrecht-
haltung der bisherigen Bundesverfassung von allen Betheiligten, Fürsten
wie Völkern, nunmehr förmlich und definitiv Preis gegeben war.
Während dieser Vorgänge in Deutschland hatten die diplomatischen Rußland.
Verhandlungen der drei Mächte mit Rußland zu Gunsten Polens eine
entscheidende Wendung genommen. Um dem ersten Aufbrausen der öffent-
lichen Meinung Europa's einige Genugthuung zu gewähren und ihr Zeit
zu lassen, sich wieder zu setzen, hatte das russische Cabinet sich mit den
drei Mächten in einläßliche Verhandlungen eingelassen und sich wenigstens
den Anschein gegeben, ihren Wünschen entgegen kommen zu wollen, zumal
es Anfangs nicht sicher war, mit der in Polen vorhandenen Militärmacht