274 226. Ludwig der Bayer und Friedrich der Schöne.
Da setzt ihn der Graf auf sein ritterlich Hferd
und reicht ihm die prächtigen Säume,
daß er labe den Kranken, der sein begehrt,
und die heilige Hflicht nicht versäume.
Und er selber auf seines Knappen UThier
vergnüget noch weiter des Jagens Begier;
der andre die Reise vollführet;
und am nächsten Morgen mit dankendem Blick
da bringt er dem Grafen sein Roß zurück;
bescheiden am Sügel geführet.
„TMicht wolle das Gott,“ rief mit Demuthsinn
der Graf, „daß zum Streiten und Jagen
das Roß ich beschritte fürderhin,
das meinen Schöpfer getragen!
Und magst du's nicht haben zu eignem Gewinst,
so bleib es gewidmet dem göttlichen Dienst!
Denn ich habe es dem ja gegeben,
von dem ich Ehre und ressches Gut
zu Lehen trage und Leib und Blut
und Seele und Athem und Leben.“
„So mög’ auch Gott, der allmächtige Hort,
der das Flehen der Schwachen erhöret,
Ehren euch bringen hier und dort,
* wie ihr jetzt ihn geehret.
Ihr seid ein mächtiger Graf, bekannt
durch ritterlich Walten im Schweizerland;
euch blühen sechs liebliche Töchter.
So mögen sie,“ rief er begeistert aus,
„sechs Kronen euch bringen in ener ZHaus
und glänzen die spätsten Geschlechter!"
Und mit sinnendem Haupt faß der Kaiser da,
als dächt’ er vergangener Seiten:
Jetzt, da er dem Sänger ins Auge sah,
da ergreift ihn der Worte Bedenten.
Die Süge des Hriesters erkennt er schnell
und verbirgt der Thränen stürzenden Guell
in des Mantels purpurnen Falten.
Und alles blickte den Kaiser an
und erkannte den Grafen, der das gethan,
und verehrte das göttliche Walten.
226. Ludwig der Bayer und Friedrich der Schöne
von Oesterreich.
Die Lande zwischen den Alpen und der Donau oder
die alten römischen Provinzen Rhätien, Vindelicien und Noricum
bildeten ehedem das deutsche Stammherzogthum Bayern. Auch
naächdem das Land zwischen Inn und Enns von Bayern ab-
getrennt und zu Oesterreich geschlagen, Bayern aber an das