Full text: Deutsches Lesebuch. Zweiter Theil. Realienbuch. (2)

237. Die Verwüstung der Pfalz und der Brand Speiers. 285 
hierüber berathschlagte, erscholl auf einmal (1681) die 
Nachricht: Stralsburg ist französisch. Diese Stadt, der 
Schlüssel von Oberdeutschland, von dem Karl V. gesagt 
hatte, wenn Wien und Stralsburg zugleich bedroht wären, 
so würde er unzweifelhaft zur Rettung von Stralsburg 
ausziehen — war wirklich mitten im Frieden von den 
Franzosen weggenommen worden. Ludwig hatte es über- 
rumpelt, als viele seiner Bürger auf der Frankfurter Messe 
waren. 
Von nun an war Deutschland völlig dem Einflusse 
Frankreichs preisgegeben; das Kaiserthum war machtlos; 
Fürsten und Volk gefielen sich in der Nachäffung fran- 
zösischen Wesens; mehr und mehr verfielen deutsche 
Sprache, deutsche Sitte und deutsche Zucht. 
237. Die Verwüstung der Pfalz und der Brand Speiers. 
Wie Ludwig XIV. mitten im Frieden Straßburg geraubt 
hatte, so fiel er im September 1688 ohne Kriegserklärung in die 
Pfalz ein. Rasch nacheinander hatten die Franzosen Kaisers- 
lautern, Mainz, Heidelberg und Heilbronn genommen und 
sich so in den Besitz der Pfalz gesetzt, ehe man in Deutsch- 
land an Widerstand denken konnte. Um denselben, der für 
das Frühjahr sicher zu erwarten war, unmöglich oder doch 
unwirksam zu machen, wollte Ludwig zwischen Deutschland und 
Frankreich,„eine Wüste legen"“. Es erging deshalb der unmensch- 
liche Befehl, alle Städte, Flecken und Dörfer der Pfalz nieder- 
zubrennen und das Land zu verwüsten. Den Bewohnern 
wurde dieses bekannt gegeben und ihnen eine dreitägige Frist 
u ihrer Rettung gestattet. Bald füllten sich die Straßen und 
Felder mit Männern, Weibern und Kindern, welche von ihrem 
Herde flohen. Viele erlagen dem Hunger und der Kälte; 
andere retteten kaum das nackte Leben. " 
Mittlerweile begann das Werk der Zerstörung. General 
Melac vollführte es von Heidelberg aus mit hunnischer Grau- 
samkeit. Aus jedem Orte schlugen die Flammen empor. Die 
mit Korn bestellten Aecker wurden verwüstet, die Obstbäume 
niedergehauen, die Weinpflanzungen zerstört. Weder Paläste 
und Tempel, Klöster und Krankenhäuser, noch Kunstwerke oder 
Denkmäler fanden Schonung. Das prachtvolle Heidelberger 
Schloß wurde ausgeplündert und in die Luft gesprengt, Mann- 
heim gleich Heidelberg niedergebrannt. Trostlos verließen die 
unglücklichen Einwohner ihre Heimat. 
Länger war die Stadt Speier geschont worden. Aber auch 
sie sollte mit ihrem ehrwürdigen Dome den Flammen über- 
liefert werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.