Bertrachtet man sich in einem der historischen Atlanten die politische
Gestaltung des heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im 14. oder
15. Jahrhundert oder um die Zeit des 30jährigen Krieges, ja bis zum
Reichsdeputationshauptschluß, so springt einem die grundverschiedene Ge-
staltung in die Augen, welche die östliche und die westliche Hälfte Deutsch-
lands aufweisen. Zieht man eine Linie von dem Unterlaufe der Weser
nach dem Lech, so sieht man, daß, soweit nicht die thüringischen Lande und
das Gebiet des Harzes diese Linie nach Osten überschneiden, im Westen
die kleinen Territorien das Reich zerstückelt haben, während östlich dieser
Linien sich in den bayrischen, habsburgischen, meißnischen, brandenburgischen
und braunschweigischen Landen fürstliche Territorien in kompakteren Massen
herausbildeten. Auf diese allgemeine historische Entwicklung dürfte es
zurückzuführen sein, daß der Stadt Leipzig, welche von jeher eine territoriale
war, die das ganze Mittelalter füllenden Kämpfe nicht bloß der Bürger-
schaften gegen die kleineren Territorialherren, sondern auch des Mittelstandes
gegen die Geschlechter in den Gemeinden, wenn auch nicht ganz erspart, so
doch ganz erheblich abgeschwächt und gemildert worden sind, weil eben eine
hinreichend starke und kräftige Territorialmacht vorhanden war, die aus-
gleichend und einschränkend zu wirken vermochte.
Neben dieses für die Stadt und ihre Geschicke wichtige historische
Moment tritt aber mit dem Anspruch auf gleiche Beachtung das Moment der
Bodengestaltung. Die Ebene von Leipzig ist der Teil des norddeutschen Tief-
landes, mit dem sich dasselbe am weitesten in das mitteldeutsche Hügel= und
Gebirgsland hineinschiebt. Ganz naturgemäß liefen daher hier von alters her
die Wege zusammen, die von Norden aus der Ebene nach Süden nach dem
Gebirge und von diesem umgekehrt nach dem Tieflande führten, und diesen
Knotenpunkt suchte dann ebenso naturgemäß wieder der Verkehr, der aus dem
Osten des Reiches nach dem Westen oder umgekehrt aus dem Westen nach dem
Osten zog. Es ist zur Genüge bekannt und bedarf hier keiner weiteren Aus-
führung, wie dieses Moment im Laufe der Zeiten für die Stadt zu einer
reich fließenden Quelle von Glück und Unglück wurde. Während die Fürsten