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wenn alle Staats- und Gemeindebürger nach ihrer Leistungsfähigkeit zur
Tragung der Staats- und Gemeindelasten herangezogen werden, dann muß
man auch der Folgerung Rechnung tragen, entsprechend der Anteilnahme an
den öffentlichen Lasten auch die öffentlichen Rechte zu verteilen. Weiter
kommt hinzu, daß es wohl ein Mittel gibt, diese nicht vorhergesehene und
erst später durch die einspielenden Interessenkämpfe hervorgerufene Un—
zuträglichkeit zu vermeiden. Das Mittel besteht in einer Kombination des
Klassenwahlsystems mit dem Proportionalwahlsystem in der Weise, daß die
zur Wahl nötige Schichtung der Bürgerschaft nach den Grundsätzen der
Klassenwahl vorgenommen wird, innerhalb dieser Schichten aber die Vertreter
durch die Proportionalwahl bestimmt werden. Ob es im Wege des Orts-
statuts jetzt noch zu machen sein wird, mag dahingestellt bleiben, bei einer
Revision unserer Städteordnung aber wird gerade das Gemeindewahlrecht
einen Punkt abgeben, um den man nicht wohl wird herum kommen können.
Die große Zahl der Mitglieder unseres Stadtverordnetenkollegiums,
wie nicht minder der Umstand, daß im Laufe der Jahre eine größere Anzahl
seiner Mitglieder gleichzeitig Mitglieder des Reichstags oder unseres Land-
tags waren, haben dazu geführt, ihm den Stempel eines Stadtparlaments
aufzudrücken. Wir haben in demselben politische und wirtschaftliche Parteien,
die sich von Fall zu Fall zusammenfinden oder auch gegeneinander Stellung
nehmen und welche die gerade vorliegenden Fragen vielfach unter dem
Gesichtswinkel ihrer Parteianschauung betrachten und behandeln. So ist
mit Sicherheit anzunehmen, daß alle Vorlagen, welche die Kirche, das
Militär und eine indirekte Besteuerung betreffen, die sozialdemokratische
Fraktion gegen, fast alle Vorlagen aber, welche die Volksschule oder Ar-
beiter berühren, für sich haben werden. Und ebenso muß man bei der
Partei der Hausbesitzervereine mit einer Gegnerschaft gegen die städtische
Grundsteuer und alle Belastungen des Grundbesitzes rechnen u. dergl. m.
Am deutlichsten tritt für den Außenstehenden der Charakter des Stadt-
parlaments bei der Budgetberatung zutage. Dieselbe wird regelmäßig mit
einer über die gesamte Finanzlage der Gemeinde orientierenden Übersicht
von seiten des Referenten eingeleitet und daran schließt sich, genau, wie in
den gesetzgebenden Körperschaften, eine Generaldebatte, welche zuzeiten in
recht weit gespanntem Rahmen die Gelegenheit bietet, alles das zutage zu
fördern, was man betreffs einzelner Fragen oder gegen den oder jenen
Dezernenten auf dem Herzen hat.
Selbstverständlich bestehen bei der großen Menge der der Erledigung
harrenden Geschäfte innerhalb der Gemeindevertretung noch besondere
Kommissionen, denen die Vorberatung bez. Durcharbeitung der Vorlagen