Leipzig. 145
Kollegien eine Resonanz und Beachtung finden. Zu einem guten Teil
möchte dieses Beiseitestehen der Tagespresse aber auch dadurch bedingt sein,
daß man seitens der städtischen Kollegien streng darauf hält, daß ihre Mit-
glieder sich bei Vergebung von städtischen Arbeiten und Liefe-
rungen tunlichst sern halten. Nur bei freien Konkurrenzen wird von
diesem Grundsatze hie und da mal eine Ausnahme gemacht. Damit ist die
Veranlassung beseitigt, welche (wie man anderwärts beobachten kann) nur
zu leicht zu Mißstimmungen in der Bürgerschaft führt, die dann in der
Tagespresse zum Austrage gelangen und derselben zu einem gewissen Ein-
fluß auf den Gang der kommunalen Dinge verhelfen.
Ehe ich mich jedoch dem nächsten Abschnitte zuwende, sei es mir ge-
stattet, hier einen Punkt zur Sprache zu bringen, der von Jahr zu Jahr
von einem immer tiefer greifenden Einflusse wird, die Gewinnung des
sächsischen Staatsbürgerrechtes durch Reichsinländer. Es
ist bekannt, daß nach § 1 des Freizügigkeitsgesetzes keinem Reichsangehörigen
wegen fehlender Landes= oder Gemeindeangehörigkeit der Aufenthalt, die
Niederlassung, der Gewerbebetrieb oder der Erwerb von Grundeigentum
verweigert werden darf. Auf Grund dieser nun schon fast 40 Jahre in
Kraft befindlichen Bestimmung nimmt, unterstützt durch die Anziehungskraft
und die vorgeschobene Lage Leipzigs, von Jahr zu Jahr die Zahl derjenigen
Einwohner zu, welche der sächsischen Staatsangehörigkeit ermangeln, die
— wie oben schon gezeigt — für die Ausübung kommunaler und staatlicher
Rechte die Voraussetzung und Grundlage bildet. Diesen Mangel zu be-
heben empfindet man aber auf seite der Zugewanderten nicht das geringste
Bedürfnis; im Gegenteil suchen die weitaus meisten, da die Ausübung
der öffentlichen Rechte auch eine Ubernahme öffentlicher Verpflichtungen im
Gefolge hat, diese exemte Stellung nach Kräften festzuhalten, um sich der
Übernahme solcher öffentlichen Verpflichtungen zu entziehen. Eine Aus-
nahme machen nur die Mitglieder der sozialdemokratischen Partei zwecks
Verstärkung ihres Einflusses bei den politischen und kommunalen Wahlen.
Hatte man früher den patriotischen Vorwand, daß man seine bisherige
Staatsangehörigkeit nicht gern aufgeben möge, so ist dieser durch § 7 des
Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Staatsangehörigkeit ge-
fallen, denn man kann die neue Staatsangehörigkeit erwerben, ohne die alte
aufgeben zu müssen. Es ist also nur die Unlust in den Ubernahmen öffent-
licher Verpflichtungen, welche die obige Gesetzesbestimmung sich zu nutze
macht.
Der diesen Dingen ferner Stehende hat keine Ahnung davon, welche
unendlichen Schwierigkeiten auf den verschiedensten staatlichen und kommu-
Schriften CXX. — Erstes Heft. 10