Full text: Verfassung und Verwaltungsorganisation der Städte Königreich Sachsen (Vierter Band Erstes Heft)

154 Ludwig-Wolf. 
wesens statt, welches seit dem Jahre 1887 nach dem Elberfelder Systeme 
reorganisiert worden ist, allerdings mit der wesentlichen Abweichung, daß 
man hier nicht das Quartiersystem adoptierte, sondern es in die Hand des 
Distriktsvorstehers legte, die Wahl des Pflegers nach der Art der Person 
des Armen zu treffen. Zurzeit bestehen 89 Distrikte mit 1092 Pflegern. 
Die Pflegerschaft eines Distrikts weist die verschiedensten Gesellschafts= und 
Erwerbsklassen auf, denn die vorgedachten 1092 Pfleger verteilen sich wie 
folgt auf die verschiedenen Bevölkerungsklassen: Kaufleute 220, Fabrikanten 40, 
Handeltreibende 32, Lehrer 142, öffentliche und Privatbeamte 115, Geist- 
liche und Gelehrte 56, Arzte, Zahnärzte, Apotheker und Drogisten 48, 
Rechtsanwälte 9, Optiker, Mechaniker, Graveure, Uhrmacher 23, Buch- 
händler, Buchdrucker, Tylographen, Buchbinder 63, Architekten, Bau= und 
Zimmermeister, Tischler, Glaser 64, Fleischer, Bäcker, Konditoren, Brauer 55, 
Schuhmacher, Schneider, Kürschner 20, Schlosser, Schmiede, Klempner, 
Stellmacher, Sattler 47, diverse Gewerbe, Land= und Gastwirte, Künstler 81, 
Arbeiter 16, Privatleute 61. Summa 1092. 
Wenn, wie aus dieser Aufzählung ersichtlich, der spezielle Arbeiterstand 
darin nur mit 16 Personen vertreten ist, so dürfte das nicht sowohl auf 
eine Abneigung, dergleichen Personen zu wählen, als vielmehr darauf zurück- 
zuführen sein, daß diese Art der Betätigung in der Offentlichkeit von seiten 
der Arbeiter weniger gesucht und begehrt wird, als die Betätigung zugunsten 
ihrer speziellen Standes= und gewerkschaftlichen Interessen. Daß sie die Zeit 
dazu sich ebenso würden abmüßigen können wie zu den letzteren, darf wohl 
als feststehend gelten, und ebenso ist kein Grund erfindlich, weshalb die 
Mitarbeit eines Arbeiters auf dem Gebiete des Armenwesens sollte zurück- 
gewiesen werden. Eine darauf gerichtete Klage ist noch nicht erhoben worden. 
So vielfach eine Mitarbeit der Frauen auf dem Felde der privaten 
Armenpflege stattfindet, so wenig ist von einer solchen in der öffentlichen 
Armenpflege die Rede. Als vor einigen Jahren eine Umfrage von seiten 
des Armendirektorii innerhalb der Distrikte stattfand, wie diese sich wohl zu 
der Frage einer Anteilnahme der Frauen zu stellen gemeint seien, gab nur 
ein einziger Distrikt eine beifällige Entschließung kund, alle übrigen ver- 
hielten sich mehr oder minder ablehnend. Wenn ein dem Schreiber dieses 
bekannter Pfleger seine Stellung zu der Frage kurz dahin kennzeichnete: 
„Frauen, die aus der Armenpflege einen Sport machen, passen mir nicht; 
wenn ich der Beihilfe einer Frau bedarf, bitte ich meine Frau darum!“ 
so dürfte diese Auffassung vielleicht allgemeiner sein, als die Freunde der 
Teilnahme der Frauen an der öffentlichen Armenpflege gemeiniglich an- 
nehmen.
	        
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