Full text: Verfassung und Verwaltungsorganisation der Städte Königreich Sachsen (Vierter Band Erstes Heft)

Leipzig. 159 
ein jeder etwas anderes denken kann, ja man ist beinahe versucht anzunehmen, 
daß das Wort sich eingestellt habe, weil dafür der rechte Begriff fehlt. 
Sieht man im Einzelfalle, wo die Sache praktisch und die Forderung er— 
hoben wird, näher zu, so läuft das Verlangen zu allermeist darauf hinaus, 
daß der zum Ausdruck gelangende Majoritätswille nicht weiter durch die 
Staatsaufsicht kontrolliert werde, sondern Gesetz sei. Daß das im engen 
Rahmen der Gemeinde, wo die Vielgestaltigkeit der Interessen nicht eine 
derartige zu sein pflegt, daß sie sich gegenseitig balancieren könnten, auf 
die reine Majoritätswillkür hinauslaufen würde, braucht nicht weiter aus- 
geführt zu werden. Daraus ergibt sich, daß sich die Gemeindeautonomie 
dem allgemeinen Staatszweck unterordnen muß und keine demselben koordinierte 
Stellung beanspruchen darf. Landes= bez. Reichsgesetz und Staatsinteresse 
sind die beiden Grenzsteine, zwischen denen ihr die Bewegungsfreiheit gestattet 
ist und nur gestattet sein kann. Abgesehen von einigen zerstreuten Be- 
stimmungen wie z. B. 
§ 2 u. 3 der Rev. St.O., daß alle ortsstatutarischen Bestimmungen, die 
außer denjenigen Bestimmungen, die das Gesetz ausdrücklich dem Ortsstatut 
zuweist, auch andere die Gemeindeverhältnisse betreffende Normen 
enthalten können, der Bestätigung durch das Ministerium des Innern 
bedürfen; 
§ 96 der Rev. St.O., welcher dem Ministerium des Innern als der obersten 
Dienstbehörde die Befugnisse zuteilt, welche beim Verfahren zum Zwecke 
der unfreiwilligen Entlassung von Ratsmitgliedern nach dem Zivil- 
staatsdienergesetz der Anstellungsbehörde zuzuweisen sind; 
* 102der Rev. St. O., daß Regulative und sonstige allgemeine Anordnungen 
in polizeilichen Angelegenheiten sofort bei ihrem Erlasse, ihrer Ab- 
änderung oder Aufhebung zur Kenntnis des Kreishauptmanns zu 
bringen sind; 
§ 105, Absatz 4 der Rev. St.O., wonach das Ministerium des Innern 
aus Gründen des allgemeinen Wohles oder der öffentlichen Sicherheit, 
ingleichen wegen ungenügender Geschäftsführung die Verwaltung der 
Ortspolizei ganz oder teilweise einer anderen Behörde vorübergehend 
übertragen kann, oder 
8 110 der Rev. St.O., durch welchen der Stadtrat für die Beobachtung der 
Gesetze und die Ausführung der ihm als Obrigkeit obliegenden Ge- 
schäfte der Staatsregierung verantwortlich gemacht ist; 
handeln eigentlich nur fünf Paragraphen unserer Rev. St.O. von der Ober- 
aufsicht des Staates:
	        
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