Königreich Sachsen. 49
2. Der Stadtgemeinderat ist Behörde!; zu seiner Zuständigkeit gehört
die Ausübung der der Stadt zustehenden Kollatur- und Patronatsrechte sowie
alles, wozu in den übrigen Städten mit RStO eine Beschlußfassung der
Stadtverordneten erforderlich ist, jedoch hat
a) eine Mitwirkung der (dem Stadtgemeinderate angehörigen) Stadt-
verordneten nicht stattzufinden bei der Erledigung der dem Stadt-
rate als Obrigkeit oder Polizeibehörde zugewiesenen Geschäfte, soweit
nicht ausdrücklich dabei nach dem oben Ausgeführten eine Mitwirkung
der Stadtverordneten vorgesehen ist;
b) die Ratsmitglieder haben sich der Teilnahme an der Beratung und
Beschlußfassung zu enthalten bei der Prüfung und Richtigsprechung
der Gemeinde= und Stiftungsrechnungen? und bei der Bestellung eines
Aktors für die Gemeinde in Rechtsstreitigkeiten, welche etwa zwischen
ihr und dem Stadtrate oder der Mehrheit der Ratsmitglieder als
solchen entstehen. Wegen der Behandlung der eben bezeichneten
Angelegenheiten hat der Stadtgemeinderat ohne Beteiligung der Rats-
mitglieder, unter Leitung des ältesten der anwesenden Stadtverordneten,
alljährlich einen „außerordentlichen Vorsitzenden“ zu wählen, welchem
dann die Berufung und Leitung der erforderlichen Sitzungen, in denen
jedoch über andere als die hier bezeichneten Angelegenheiten nicht ver-
handelt oder beschlossen werden darf, sowie die Ausführung der ge-
faßten Beschlüsse obliegt.
3. Auf die Sitzungen des Stadtgemeinderats, dessen Berufung —
abgesehen von den Fällen vorstehend 2. — dem Bürgermeister oder dessen
Stellvertreter zusteht, leidet das oben § 10 Ausgeführte sinngemäße An-
wendung.
4. Zur Ausführung der vom Stadtgemeinderate gefaßten Beschlüsse
und zur Erledigung aller nicht zur Zuständigkeit des Stadtgemeinderats
gehörigen Angelegenheiten ist der Bürgermeister mit den übrigen Stadtrats-
mitgliedern das zuständige Gemeindeorgan, welches solchen Falles „Stadt-
rat“ heißt und in bezug auf dessen Wirkungskreis, zu dem auch die Be-
anstandung ungesetzlicher Beschlüsse des Stadtgemeinderates gehört, das oben
§ 9, 10—12 über Wirkungskreis und Geschäftsführung des Stadtrates Gesagte
gang persönlich beteiligten Ratsmitglieder sich der Teilnahme zu enthalten haben,
folgt ohne weiteres aus § 118 verb. mit § 70 u. § 108 der RSt.
1 Agl. auch Entscheidung des RG. III. Senat, v. 24. Mai 189.44 (Fischers
Zeitschrift Bd. 16, S. 100).
2 In betreff der Verweigerung der Richtigsprechung s. unten S. 82 Anm. 3.
3 Vgl. oben J 11 I.
Schriften CXX. — Erstes Heft. 4